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Die Ueberlebenden von Mogadischu

Titel: Die Ueberlebenden von Mogadischu
Autoren: Martin Rupps
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73 Quadratmeter Innenraum der »Landshut« sind ein deutscher Erinnerungsort, oder, um eine gängige Definition des Begriffs Erinnerungsort zu zitieren, ein »langlebiger, Generationen überdauernder Kristallisationspunkt kollektiver Erinnerung und Identität«. Viele Menschen verbinden mit ihnen gemeinsame, vergleichbare Erinnerungen und Empfindungen.
    Wer den Deutschen Herbst 1977 mit wachem Bewusstsein erlebt hat, was noch immer für die meisten Frauen und Männer in der Bundesrepublik Deutschland gilt, erinnert sich beim Blick auf die Maschine an ein schreckliches Ereignis, das eine ganze Nation in Schrecken versetzte. Ob die Angehörigen späterer Generationen noch immer wissen wollen, was in jenen Tagen geschehen ist, bleibt offen. Sie sollen die Gelegenheit dazu in Gestalt eines Erinnerungsortes erhalten.
    Das Exemplar des Flugzeugtyps Boeing 737 , das in seinem ersten Leben »Landshut« hieß, gehört deshalb in ein deutsches Museum. Es sollte im Deutschen Historischen Museum in Berlin oder im Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn oder im »Auto & Technik«-Museum Sinsheim stehen. Oder in einer anderen Institution, die für diese Erinnerungsaufgabe ganz wörtlich offen ist.
    Im besten Fall bleibt die Maschine komplett erhalten und belegt eine eigene Halle. Besucherinnen und Besucher sollten sie aus jeder 320 Perspektive außen und innen besichtigen können. An den normalen Türen könnten zeitgenössische Gangways stehen, an den Notausgangstüren Leitern, wie sie von den GSG - 9 -Leuten bei der Befreiung benutzt wurden.
    Der Innenraum müsste ebenfalls originalgetreu wiederhergestellt sein. Vorlagen dafür gibt es schon, das Flugzeuginnere wurde für zwei Spielfilm-Produktionen ( Todesspiel 1997 und Mogadischu 2007 ) nachgebaut.
    Der Autor Ebbo Demant, damals Mitarbeiter des Südwestfunks, bekam 1980 die Erlaubnis, die »Landshut« filmen zu lassen. Die Deutsche Lufthansa holte das Flugzeug eigens aus dem Hangar. Kameramann Norbert Bolz hielt die äußere und innere Erscheinung des Flugzeugoriginals auf 16 -Millimeter-Rollfilm fest. Statische, lange Kameraeinstellungen versetzen den Betrachter in die »Airworld« der siebziger Jahre zurück.
    Die Bilder des Kameramanns Norbert Bolz sollten auf einem Monitor, noch besser auf einer Großbildleinwand zu sehen sein. Sie zeigen den Normalzustand der Maschine, wie er nach dem Verbrechen der Entführung erst wiederhergestellt werden musste: gelbe, saubere Sitze und saubere, beige Wandverkleidungen, ein typisches Boeing- 737 -Interieur der siebziger Jahre.
    Wer zwischen den Sitzreihen auf und ab geht, macht sich die Enge klar, die während der Entführungstage geherrscht hat. Historiker können anhand der Fotos, die unmittelbar nach der Befreiung gemacht wurden und im Archiv des Bundeskriminalamts liegen, die Situation nachstellen: Aufgetürmtes Handgepäck und Essensmüll nahmen zusätzlich Platz weg.
    Diese persönliche Erfahrung von Enge wird mehr lehren als viele Schulstunden Geschichtsunterricht, mehr als Bücher oder Filme. Ein bekanntes Beispiel dieser Art ist das U-Boot in den Münchner Bavaria-Filmstudios, das Exemplar, in dem für den Film Das Boot gedreht worden ist. Unzählige Menschen haben sich durch den Innenraum des Bootes gezwängt und sich dabei gefragt, wie darin nicht nur viele Menschen leben, sondern auch Krieg führen konnten.
      321 Der Besuch in der »Landshut« vermittelt einen Eindruck davon, wie qualvoll das tagelange Sitzen auf schmalen, schweißnassen Polstern gewesen sein muss, bei starken Temperaturschwankungen, schlechter Versorgung, Gestank und stets in der Angst, das Leben zu verlieren.
    Das wäre der belastende, erschütternde Aspekt eines Besuches an diesem Erinnerungsort. Es gäbe daneben einen ganz wörtlich befreienden Aspekt: die Vorstellung, dass Angehörige des Bundesgrenzschutzes auf diesem engen Raum Terroristen überwältigt und die Geiseln fast unversehrt befreit haben.
    Ein Erinnerungsort »Landshut« würde erkennbar machen, mit wie viel Mut – und versehen mit dem Quäntchen Glück, das es immer braucht – die Männer der Grenzschutztruppe 9 vorgegangen sind. Er zeigt, welch hohes Risiko der Bundeskanzler mit seinem Marschbefehl und der GSG - 9 -Chef im Vollzug eingehen mussten. Zugleich zeigt das Ergebnis, dass die Aufgabe zu meistern war und gemeistert wurde. Der Erfolg gab dem Bundeskanzler und dem GSG - 9 -Chef Wegener recht.
    Die Befreiungsaktion der GSG 9 kostete Menschenleben – die
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