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Die Überlebenden der Kerry Dancer

Die Überlebenden der Kerry Dancer

Titel: Die Überlebenden der Kerry Dancer
Autoren: Alistair MacLean
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hatte an jeder Seite eine Tür, beide geschlossen, und eine hinten am Ende, die offenstand und ein hell beleuchtetes Rechteck zeigte. Es war niemand zu sehen. Nicolson tat rasch einen Schritt in den Gang hinein, faßte mit der Hand hinten an die Tür, fand einen Schlüssel, zog ihn heraus, trat zurück in die Halle, machte die Tür leise hinter sich zu und schloß sie ab.
    Ebenso unhörbar wie zuvor ging er durch die Halle zurück und stieß wieder zu den beiden anderen, die neben der weißgestrichenen Flügeltür standen. Beide sahen zu ihm hin, als er herankam – McKinnon, unverändert grimmig und unversöhnlich, hatte seine kochende Wut fest unter Kontrolle, war aber bereit, sie jeden Augenblick explodieren zu lassen; Telak, übel zugerichtet und blutverschmiert, bot im Licht des Kronleuchters einen mitleiderregenden Anblick. Sein finsteres Gesicht war verzerrt und grau vor Erschöpfung, doch das Verlangen nach Rache würde ihn noch lange Zeit aufrecht halten. Nicolson flüsterte Telak einige Instruktionen ins Ohr, überzeugte sich davon, daß Telak begriffen hatte, und wartete dann, bis er sich lautlos entfernt und hinter der Treppe rechts verborgen hatte.
    Von jenseits der Tür war das gedämpfte Geräusch vieler Stimmen zu hören, von Zeit zu Zeit unterbrochen durch eine Woge von Gelächter. Nicolson hielt einen Augenblick das Ohr lauschend an den Spalt zwischen den beiden Flügeltüren, dann probierte er die beiden Türflügel, indem er ganz sacht mit dem Zeigefinger dagegendrückte. Beide gaben millimeterweise nach, Nicolson richtete sich befriedigt auf und nickte McKinnon zu. Die beiden Männer brachten ihre Waffen schußbereit in Anschlag und hielten sie so, daß die Mündung eben das weißgestrichene Holz vor ihnen berührten, dann stießen sie die beiden Türflügel mit einem Fußtritt weit auf und betraten gleichzeitig den Raum.
    Es war ein langgestreckter, niedriger Raum, gleich der Halle mit holzgetäfelten Wänden und Parkettfußboden und mit breiten Fenstern, an denen Moskitovorhänge hingen. An der hinteren Wand war ein drittes, kleineres Fenster, und zwischen den beiden Türen an der linken Wand stand eine lange Anrichte aus Eichenholz, sonst stand nichts an den Wänden. Der größte Teil des Raums wurde eingenommen von einer hufeisenförmigen Festtafel und den Stühlen der vierzehn Männer, die daran saßen. Einige dieser vierzehn redeten weiter, lachten und tranken aus den hohen Gläsern, die sie in der Hand hielten, ohne das Hereinkommen der zwei Männer zu bemerken; bis das plötzliche Verstummen der anderen sie aufmerksam werden ließ, und auch diejenigen, die weitergesprochen hatten, einer nach dem andern gleichfalls verstummten, zur Tür starrten und regungslos dasaßen.
    Für einen Mann, dem der Kummer um den Tod seines Sohnes das Herz brach, gelang es Oberst Kiseki bemerkenswert gut, seine Trauer zu verbergen. Über seine Identität konnte es keinen Zweifel geben. Er saß in einem reichverzierten Sessel mit hoher Lehne auf dem Ehrenplatz am Kopfende der Tafel, ein untersetzter Mann von gewaltiger Leibesfülle, dessen Hals wulstig über den engen Kragen seiner Uniform quoll, mit kleinen Schweinsaugen, die fast verschwanden hinter speckigen Falten, und sehr kurzem schwarzem Haar, grau an den Schläfen, das oben auf seinem runden Kopf wie die Borsten einer Drahtbürste stand. Sein Gesicht war gerötet vom Alkohol, auf dem Tisch vor ihm stand eine Batterie geleerter Flaschen, und das weiße Tischtuch war voller Weinflecke. Er hatte, als Nicolson und McKinnon hereinkamen, gerade mit nach hinten gelegtem Kopf schallend gelacht. Jetzt aber saß er vorgebeugt in seinem Stuhl, dessen Armlehnen seine Fäuste krampfhaft umklammerten, während das Lachen auf seinem feisten Gesicht langsam zu starrer Fassungslosigkeit gerann.
    Niemand sprach, niemand bewegte sich. Die Stille im Raum war intensiv und lastend. Langsam, wachsam rückten Nicolson und McKinnon zu beiden Seiten der Tafel vor, Nicolson links und McKinnon rechts an der Wand mit den beiden Fenster, und das Geräusch ihrer leisen Schritte verstärkte nur noch die gespannte Stille. Und immer noch saßen die vierzehn Männer regungslos an ihren Plätzen, nur ihre Augen gingen langsam hin und her, während sie die Bewegungen der zwei Männer mit den schußbereiten Waffen verfolgten. Als Nicolson auf seiner Seite bis zur Mitte der Tafel gekommen war, blieb er stehen, überzeugte sich, daß McKinnon die ganze Tafel scharf im Auge hielt, dreht sich
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