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Die Überlebenden der Kerry Dancer

Die Überlebenden der Kerry Dancer

Titel: Die Überlebenden der Kerry Dancer
Autoren: Alistair MacLean
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reden?« Kiseki sah Nicolson aus Augen an, die zu schmalen Schlitzen zusammengekniffen waren.
    »Der Bürgermeister ist ein Mitglied, einer der Gründer der Vereinigung zur Förderung der ostasiatischen Integration im Interesse der gemeinsamen –«
    »Mann, halten Sie den Mund!« Nicolson ließ den Blick rasch über die Tafelrunde schweifen – zwei oder drei japanische Offiziere, ein halbes Dutzend Chinesen, ein Araber und ein paar Javaner – und sah dann wieder Kiseki an. »Sie, Ihr Adjutant und der Bürgermeister bleiben hier. Alle anderen in die Garderobe dort.«
    »Sir!« rief McKinnon, der an einem der großen Fenster stand, leise. »Sie kommen eben die Auffahrt herauf.«
    »Los, beeilen Sie sich!« sagte Nicolson und stieß Kiseki erneut den Lauf seines Karabiners in den Hals. »Sagen Sie den Leuten, sie sollen sich in die Garderobe verfügen – sofort!«
    »In dieses enge Kämmerchen? Da ist keine Luft.« Kiseki tat, als sei er entsetzt. »Sie werden da drin ersticken.«
    »Ihre Gäste können auch hier draußen sterben. Das bleibt ihrer eigenen Entscheidung überlassen.« Nicolson lehnte sich mit noch mehr Gewicht gegen seinen Karabiner, und sein Zeigefinger krümmte sich fester um den Abzug. »Aber nicht, ehe Sie als erster gestorben sind.«
    Dreißig Sekunden später war der Raum sehr still und fast leer, bis auf die drei Männer, die am Kopfende der Festtafel saßen. Elf Mann befanden sich eng zusammengepfercht in der winzigen Garderobe, deren Tür von außen abgeschlossen war. McKinnon lag neben der einen offenstehenden Flügeltür flach an den Boden gepreßt, und Nicolson stand hinter der geöffneten Tür zu dem seitlichen Gang. Er stand so, daß er durch den Spalt zwischen der Tür, hinter der er stand, und dem Türpfosten die Flügeltür im Auge hatte, durch die man von der Halle hereinkam. Außerdem stand er so, daß der Lauf des Karabiners, den er in Händen hielt, auf die Brust des Oberst Kiseki gerichtet war. Und er hatte Kiseki genau gesagt, was er zu tun hatte. Der Oberst hatte den Befehl verstanden, und Kiseki war alt genug und hatte schon allzuoft in seinem Leben Männer gesehen, die zum äußersten entschlossen waren, um sich nicht darüber klar zu sein, daß Nicolson ihn bei dem leisesten Verdacht, geschweige denn bei der Gewißheit, daß er hintergangen wurde, wie einen Hund über den Haufen schießen würde. Oberst Kisekis Mut entsprach fast seiner Grausamkeit, doch er war kein Idiot. Er hatte die Absicht, sich genau an seinen Auftrag zu halten.
    Jetzt konnte Nicolson Peter weinen hören, ein müdes, verzagtes Wimmern, da die Soldaten über den Kies des Vorplatzes kamen und die Stufen zum Eingang hinaufstiegen. Er preßte die Lippen zusammen. Kiseki sah es und spannte die Muskeln an in Erwartung des Schusses, der ihm in die Brust schmettern würde. Doch dann sah er, wie Nicolson leise den Kopf schüttelte und entspannte sich sichtbar und willentlich. Und dann hatten die sich nähernden Schritte die Halle durchquert, machten vor der Tür halt und setzten sich auf ein lautes Kommando von Kiseki erneut in Bewegung. Im nächsten Augenblick war die japanische Eskorte – alles in allem sechs Mann – im Raum und trieb die Gefangenen vor sich her.
    Als erster kam Kapitän Findhorn. Zwei Soldaten hatten ihn rechts und links an den Armen gefaßt, seine Beine versagten ihm den Dienst, sein Gesicht war aschfahl und verzerrt. Er atmete rasch und röchelnd und offenbar unter großen Schmerzen. Die Soldaten blieben stehen und ließen seine Arme los. Findhorn schwankte, einmal nach vorn und einmal nach hinten, seine blutunterlaufenen Augen drehten sich nach oben, und im nächsten Augenblick fiel er zusammen und sank zu Boden, in den erbarmenden Schoß bewußtloser Ohnmacht. Unmittelbar hinter ihm kam Gudrun Drachmann, die noch immer Peter auf dem Arm trug. Ihr schwarzes Haar hing ihr in wirren Strähnen ins Gesicht, die einstmals weiße Bluse war hinten aufgerissen und hing in Fetzen über den Rücken herunter. Nicolson konnte von seinem Platz aus ihren Rücken nicht sehen, doch ihm war klar, daß die glatte Haut wie mit Pocken übersät war von blutigen Stellen, denn der Soldat, der hinter ihr stand, drückte auch jetzt die Spitze seines Bajonetts zwischen ihre Schultern. Der Impuls, hinter der Tür hervorzukommen und das Magazin seines Schnellfeuergewehrs leerzuschießen in den Mann mit dem Bajonett, war fast unwiderstehlich. Doch er blieb unbeweglich stehen, wo er stand, und ließ seinen
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