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Die Überlebenden der Kerry Dancer

Die Überlebenden der Kerry Dancer

Titel: Die Überlebenden der Kerry Dancer
Autoren: Alistair MacLean
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recht hatte – McKinnons Ohren waren genauso bemerkenswert wie seine Augen.
    »Nicht auf dem Kies, am Rand des Rasens«, murmelte McKinnon. »Kommt auf uns zu. Ich schnappe mir den Burschen.«
    »Lassen Sie ihn.« Nicolson schüttelte energisch den Kopf. »Macht zuviel Lärm.«
    »Er wird uns hören, wenn wir über den Kies gehen.« McKinnons Stimme wurde noch leiser, und jetzt konnte auch Nicolson hören, wie der Mann näherkam, konnte das leise Geräusch von Füßen hören, die durch das nasse Gras wischten. »Es wird nichts zu hören sein. Das verspreche ich.«
    Diesmal nickte Nicolson und griff dem Bootsmann zum Zeichen des Einverständnisses an den Arm. Der Mann war inzwischen auf der anderen Seite des Gebüsches fast auf ihrer Höhe angelangt, und Nicolson erschauerte unwillkürlich. Seiner genauen Kenntnis nach würde dieser Mann das vierte Opfer des Bootsmannes mit der behäbigen schottischen Sprechweise an diesem Abend werden. Bisher war es nur einem dieser Opfer gelungen, auch nur einen Laut über die Lippen zu bekommen. Wie lange man doch mit einem Mann zusammenleben konnte – in diesem Fall waren es drei Jahre –, ohne ihn wirklich kennenzulernen.
    Der Mann war knapp einen Meter an ihnen vorbei, drehte sich um und sah zu den beiden hell erleuchteten Fenstern hin, hinter denen das gedämpfte Geräusch vieler Stimmen zu hören war, als sich McKinnon lautlos wie ein Geist erhob und seine Hände mit eisernem Griff um den Hals des Mannes schloß. Er hatte nicht zuviel behauptet. Es war nicht das leiseste Geräusch zu hören.
    Sie ließen den Mann hinter dem Gebüsch liegen, überquerten ohne jede Hast – für den Fall, daß noch weitere Wachtposten auf dem Grundstück waren, die ihre Schritte hören konnten – den kiesbestreuten Vorplatz, stiegen die Stufen hinauf und gingen, von niemandem behindert, durch die weitgeöffnete Doppeltür des Haupteingangs in das Haus hinein.
    Sie kamen in eine große, von einem Kronleuchter in der Mitte matt erleuchtete Halle, mit einer hohen, gewölbten Decke und Wänden, die mit Holz getäfelt waren, das aussah wie Eiche, und einem schimmernden Parkettfußboden, einem kunstvollen Mosaik aus Jarrah-Holz, Kauli-Holz und helleren, tropischen Harthölzern. An beiden Seiten der Halle führten breite Treppen im Bogen nach oben auf einen Balkon mit Säulen, der sich rings um das Haus zog. Am Anfang der beiden Treppen waren rechts und links zwei Flügeltüren und dazwischen, an der Hinterwand, eine dritte, einfache Tür. Alle Türen waren weiß gestrichen und bildeten einen auffälligen Kontrast zu der seidigen Dunkelheit der Wände. Die seitlichen Flügeltüren waren geschlossen, die Tür im Hintergrund stand offen.
    Nicolson bedeutete McKinnon und Telak durch ein Zeichen, zu beiden Seiten der Flügeltür rechts Aufstellung zu nehmen, und ging dann auf unhörbaren Sohlen quer durch die Halle zu der offenstehenden Tür hinten. Er spürte an den Ballen seiner Füße das kühle, harte Holz des Fußbodens – soweit von den versengten Sohlen seiner Leinenschuhe noch etwas übrig gewesen war, nachdem er van Effen aus dem brennenden Versammlungshaus herausgetragen hatte, so waren diese Reste offenbar bei dem grausamen Querfeldeinrennen draufgegangen. Nicolsons Bewußtsein registrierte die Tatsache automatisch, doch er beachtete sie genausowenig, wie er den Schmerz der Verbrennungen beachtet hatte. Die Zeit würde kommen, da er die Schmerzen spürte und erlitt, doch dieser Zeitpunkt war noch nicht da. Er befand sich immer noch, und sogar in gesteigertem Maße, in diesem Zustand völliger Gleichgültigkeit und zugleich wachster, zielstrebiger Bewußtheit.
    Er drückte sich flach hinten gegen die Wand, streckte den Kopf lauschend vor und richtete den Blick auf die geöffnete Tür. Zunächst konnte er nichts hören, doch dann vernahm er aus der Ferne das schwache Geräusch leiser Stimmen und das gelegentliche Klappern von Geschirr. Offenbar Geräusche aus der Küche und den Räumen des Personals – und falls die Männer, die hinter der Flügeltür versammelt waren, beim Essen saßen – was sehr gut möglich war, da es ungefähr die Zeit des Nachtessens war –, dann mußten sie jeden Augenblick damit rechnen, daß irgendwelche dienstbaren Geister durch den langen Gang hinter der offenen Tür kamen und die Halle durchquerten. Nicolson schob sich geräuschlos vor und riskierte einen schnellen Blick durch die Tür. Der Gang dahinter war schwach beleuchtet, etwa sechs Meter lang,
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