Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Trolle

Die Trolle

Titel: Die Trolle
Autoren: Christoph Hardebusch
Vom Netzwerk:
auf die Trolle einstürmte. Haltet stand, dachte sie flehentlich. Haltet stand!
    Selbst von ihrer entfernten Position aus konnte Viçinia den Schlag des ersten Ansturms vernehmen, und sie sah Lanzen durch Trollkörper fahren, splittern, sah Giganten wanken und stürzen. Aber sie sah auch die zu Boden gerissenen Pferde, die Keulen, welche Ross und Reiter zermalmten, die Trolle, die Masriden packten und in der Luft zerfetzten. Schmerzerfüllte Schreie, panisches Wiehern, infernalisches Brüllen, all das vereinte sich zu einer grauenvollen Kakophonie.
    Aber die Trolle hielten stand, sie hielten den Sturmangriff der Masriden auf und zwangen die Reiter brüllend in den Nahkampf. Von der Flanke her donnerte Ionnas Reiterei heran, allen voran die Fürstin mit ihrem weißen Mantel, mit gesenkten Lanzen und dem alten Schrei der Wlachaken auf den Lippen.
    »Tirea!«
    Die Flanke der Masriden brach zusammen, die Krieger rannten davon, flohen vor den blitzenden Schwertern der Wlachaken, den tödlichen Keulen der Trolle. Immer weiter führte Ionnas Sturmritt sie, durchbrach Reihe um Reihe, schleuderte Soldaten zu Boden, zermalmte sie unter Hufen, spießte sie auf. Irgendwann schien Ionna ihre Lanze verloren zu haben, denn sie zog Leuenfang, ihr Schwert, und trieb ihr Pferd weiter, hinein in das dichteste Getümmel, wo die Reiterei der Masriden erbittert mit den Trollen focht. Dann wurde Ionna von den sich auftürmenden Gestalten verschluckt, und Viçinia verlor sie aus den Augen. Verzweifelt spähte sie nach ihrer Schwester. Linker Hand tauchte eine helle Gestalt auf, beritten. Vielleicht war es Ionna, denn eine blitzende Klinge fuhr auf und nieder, trieb Feinde vor sich her, grub sich in Rüstung und Fleisch, verletzte und tötete.
    Hinter den Linien der Masriden, die in völliger Auflösung begriffen waren, stürmten die Überlebenden von Stens kleiner Gruppe heran, warfen sich in den Rücken der wenigen Masriden, die noch kämpften, und ließen deren geringen Widerstand zusammenbrechen.
    »Tirea! Ionna!«, ertönten die jubelnden Schreie aus der Senke, und dazu gesellte sich das animalische Brüllen der Trolle.
    Auf dem Feldherrenhügel ließ Viçinia die Zügel ihres Pferdes los, die sie krampfhaft in den Händen gehalten hatte. Wie betäubt dachte die junge Frau: Das Feld ist unser, wir haben gesiegt!

 
66
    Doch immer war das Land von Schnee bedeckt, wenn auch bereits ein milder Ostwind wehte und die Tage wieder wärmer wurden. An den steilen Dächern, die der Last der Schneemassen allesamt standhielten, tauten die Eiszapfen, und hin und wieder löste sich nasser Schnee von den Dächern und fiel mit lautem Klatschen auf die Straßen. Die Nächte waren nach wie vor kalt und ließen Schnee und Tauwasser gefrieren, aber der Frühling kehrte mit Macht nach Wlachkis zurück.
    Hastig lief Sten durch die Gassen von Teremi, während die Sonne langsam hinter den Bergen versank. Wenn er sich nicht beeilte, würde er unweigerlich zu spät kommen, was ihm ganz sicher Ärger mit Viçinia einbringen würde. Als er auf das Tor der Feste zulief, erblickte er Flores, die in ihre hohlen Hände blies, um diese aufzuwärmen. Als seine Schwester ihn sah, grinste sie breit und rief: »Ho, Sten! Beeil dich, es geht gleich los!«
    »Ich weiß, ich weiß«, erwiderte der junge Krieger und umarmte sie. »Wie geht es dir?«
    »Gut«, erwiderte sie lachend. »Es waren ja die ersten Schnitte, die ich abbekommen habe.«
    »Und, wie hat dir Désa im Winter gefallen?«
    »Reza, Ionnas Verwalter, hat sich gut um mich gekümmert und mir häufig Gesellschaft geleistet«, erwiderte Flores mit einem Zwinkern. »Und abgesehen von Livian, die mir dauernd Vorträge darüber hielt, was meiner Gesundheit zu- und abträglich sei, waren alle sehr freundlich zu mir.«
    »Ha! Jetzt weißt du, wie ich mich damals nach der Herbstschlacht in Cartareus Händen gefühlt habe!«
    »Na ja, da waren aber immerhin noch andere Hände, die dich zärtlich umsorgt haben«, gab Flores mit einem anzüglichen Grinsen zu bedenken, »oder nicht?« Sie winkte lachend ab, als sie sah, wie ihr Zwillingsbruder tatsächlich rot wurde: »Schon gut, Brüderchen. Auf dem Schlachtfeld magst du ein Held sein, aber in der Liebe …«
    »Was weißt du schon davon«, erwiderte Sten grummelnd, nur um mit einem Blick zum sich verdunkelnden Himmel hinzuzufügen: »Wir sollten hineingehen.«
    Noch immer grinsend, folgte ihm Flores in den Eingangssaal der Burg Remis, der festlich geschmückt worden war.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher