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Die Treppe im See: Mystery-Thriller (German Edition)

Die Treppe im See: Mystery-Thriller (German Edition)

Titel: Die Treppe im See: Mystery-Thriller (German Edition)
Autoren: Ronald Malfi
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es mir vor, als wogen die Bäume unterschwellig, wie beseelte Lebewesen hin und her. Über ihnen glomm der Mond, wie ein fluoreszierender Schädel hinter schwarzen Wolkenschleiern.
    Zweige brachen, Schnee knirschte und totes Laub raschelte, bevor mehrere Meter entfernt eine Gestalt auf dem gewundenen Schotterweg im Wald erschien, der zurück in die Waterview Court führte. Die Gestalt trug etwas, während er – sie schien unverwechselbar männlich zu sein – auf mich zukam.
    Es war Adam.
    »Halt«, rief ich.
    Er blieb stehen und spähte in die Finsternis, bis er mich im nächtlichen Schatten auf der Terrasse entdeckte. Seine Umrisse sonderten Dampfschwaden ab. »Jesus, was zur Hölle treibst du hier draußen?«
    »Ich verstecke mich.«
    »Interessiert an Gesellschaft?« Er hielt mir sein Mitbringsel vor; anscheinend war ihm der Port in die Hände gefallen, den er zuvor gesucht hatte.
    »Kommt drauf an. An wen hast du gedacht?«
    Adam nahm einen Schluck aus der Flasche und schob die freie Hand in die Gesäßtasche seiner Baumwollhose. Er lehnte sich gegen das Terrassengeländer. Es knirschte, gab aber nicht nach. »Hoffentlich gefällt es euch hier.«
    »Was könnte uns daran hindern?«
    »Ich hoffe, ich habe mit meinem Gespräch über Familiengründung keine Lawine ins Rollen gebracht.«
    »Schon okay.«
    »Ein heikles Thema bei euch?«
    »Könnte man sagen.«
    Adam nippte ein weiteres Mal. Er schien sich weder neben mich stellen zu wollen, noch konnte er mich anschauen, als er sich mit dem Handrücken den Mund abwischte.
    »Was hast du auf dem Herzen? Du bist bestimmt nicht hergekommen, um dich zu vergewissern, dass wir sicher zurückgefunden haben.«
    Er schaute auf den Boden und schüttelte den Kopf. Zwar lächelte er, doch Heiterkeit sah definitiv anders aus.
    Erneut stieß mich Adams Ähnlichkeit mit unserem Vater vor den Kopf. Erinnerungen an den alten Herrn stiegen auf. Einmal kam er mit einem Weihnachtsbaum auf dem Dach unseres Chryslers die Einfahrt herauf, als wir noch in der viel zu kleinen Doppelhaushälfte in Eastport wohnten. Kyle war nach wie vor am Leben, und wir schmückten noch einen echten Baum. Die Eindrücke kehrten so unverhofft und vehement wieder, dass ich beinahe weinen musste.
    »Ich schätze, ich hielt es einfach nur für eine gute Idee«, behauptete Adam und riss mich damit aus meinem Wachtraum. »Ihr seid gerade erst eingetroffen und so. Immerhin wohnen wir quasi gegenüber, und da dachte ich …« Sein Ehering klackte an die Weinflasche. »Müssen wir uns aussprechen, du und ich?«
    »Ich glaube nicht.«
    »Als wir das letzte Mal auseinandergingen, taten wir es ja nicht im Guten.«
    Ich schaute in die Ferne. Der Schnee schimmerte im Mondlicht, als sei er nicht von dieser Welt. »Vergiss es einfach. Wir waren beide betrunken.«
    »Es hat mich lange Zeit belastet.«
    »Es liegt in der Vergangenheit.«
    »Empfindest du wirklich so, was das angeht? Nimm‘s mir nicht übel, falls doch nicht.«
    Einen Augenblick lang ging ich tief in mich. Ich musste schließlich einsehen, dass ich nicht wusste, was ich empfand. Da ich befürchtete, mein Schweigen könne mich entlarven, beteuerte ich: »Sicher.«
    »Wir haben bereits zu viel Zeit vergeudet, und zwar für nichts und wieder nichts.«
    »Jetzt können wir alles nachholen«, stellte ich in Aussicht.
    Er nickte einmal flüchtig. »Gut. Das wäre toll. Nichts lieber als das.«
    »Also ist die Sache vom Tisch. Schwamm drüber. Lassen wir die Vergangenheit ruhen. Schnee von gestern und alle anderen Sprüche, die mir gerade nicht einfallen wollen.«
    Adam gluckste und nippte am Portwein. »Ich sollte besser wieder zurück – außer du willst dir mit mir mit dem Rest von diesem Zeug die Kante geben?«
    »Nein, danke.«
    »Willst du dir lieber allein die Kante geben? Ich lass dir die Flasche hier.«
    Ich lächelte. »Morgen vielleicht.«
    Adam hievte sich vom Geländer ab. »Na gut.« Er kratzte sich mit seinen langen Fingern am unrasierten Hals, was sich anhörte, als bearbeite er die Haut mit Schmirgelpapier. Mir dämmerte, dass er sich den Mut, mir sein Herz auszuschütten, größtenteils angetrunken hatte. »Du weißt ja, wo du mich findest. Fühl dich bei uns wie zu Hause.«
    »Es tut gut, dich wiederzusehen«, rief ich ihm hinterher, während er durch den Schnee zurück zu den Bäumen trottete.
    Er hob eine Hand als Antwort, ohne sich umzudrehen.
    Ich schaute ihm nach, bis ihn die Dunkelheit
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