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Die Treppe im See: Mystery-Thriller (German Edition)

Die Treppe im See: Mystery-Thriller (German Edition)

Titel: Die Treppe im See: Mystery-Thriller (German Edition)
Autoren: Ronald Malfi
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vor, betonte aber, es handle sich um einen starken Plot und eine gute, starke Erzählstimme. Das Buch war als Hardcoverausgabe für den Herbst geplant.
    » Eine Frage « , meinte er noch.
    » Ja? «
    » Alexander Sharpe? « Dieses Pseudonym hatte ich auf der Titelseite des Manuskripts angegeben. » Seit wann benutzen Sie diesen Namen? «
    Am Telefon gelang es mir, einigermaßen zwanglos zu klingen. » Ich wollte herausfinden, ob Mr. Sharpe bessere Chancen bei Verlagen hat als ich. Ich schätze, er hat es. «
    Aber das war nicht die Wahrheit.
    Ich konnte ihm nicht mitteilen, dass ich mich selbst davon distanzieren musste, obwohl ich gleichzeitig nicht umhinkam, mich daran zu ergötzen. Es hätte keinen Sinn ergeben. Ein Fremder schien mir besser dafür geeignet zu sein, die Geschichte meines verstorbenen Bruders zu erzählen. Ein Fremder, der nicht einmal existent war. Weil ich zu voreingenommen war. Weil ich mich davon nicht lösen konnte, und das hätte bedeutet, dass die Geschichte in ein ekelhaftes Selbstmitleid überging. Das durfte ich nicht zulassen.
    Gut sind Bücher nur dann, wenn sie ehrlich sind.
    Ich begoss es mit Freunden, die mich mit Gasohol abfüllten und sich bemühten, mich mit irgendeiner Frau in die Kiste hüpfen zu lassen, obwohl ich kurz davor endlich beschlossen hatte, meiner langjährigen Freundin Jodie Morgan einen Heiratsantrag zu machen, wenngleich ohne jemandem etwas zu erzählen. Danach feierte ich allein mit einer vollen Packung Zigaretten, einer Flasche Wild Turkey und bummelte durch Georgetown. Vielleicht dem Bedürfnis nach Bestätigung wegen fand ich mich in einer der Bars in der Washingtoner Gegend wieder, wo ich in einer Telefonzelle Nummern eintippte. Es läutete einige Mal, bis mein älterer Bruder Adam abhob.
    »Ich schätze, ich habe gerade ein Buch über Kyle geschrieben « , lallte ich betrunken in die Muschel.
    » Gut, das wurde auch verdammt noch mal Zeit, Kumpel « , erwiderte Adam, und ich fühlte mich, als seien mir Flügel gewachsen und als ob ich damit vom Bürgersteig abheben würde.
    Gelegentlich ertappte ich mich dabei, wie ich an jenen Spätherbst dachte, in dem ich wie ein Schlot geraucht und den Tod meines kleinen Bruders literarisch verarbeitet hatte. Ich erinnerte mich daran, wie sich der Wechsel der Jahreszeiten im Buntwerden der Blätter angekündigt hatte; stürmisch verregnete Nächte, die nach Sumpf rochen und voller Erwartungen steckten; die Stunden, in denen meine Netzhäute wegen des strahlenden Monitors litten. Niemals zuvor hatte ich so etwas geschrieben, das mich schlaflos machte und auszehrte. Ich musste spät nachts wie ein Zombie in der Gegend herumgeirrt sein und schlitterte knapp am geistigen Kollaps vorbei, während ich tagsüber meinen Job als Korrektor bei der Washington Post ausübte. (Im Übrigen verdiente ich dabei gerade genug, um meinen Vermieter nicht ständig auf den Plan zu rufen und stetig genügend Instant-Nudeln beziehungsweise Billigbier im Haus zu haben.)
    Eines Abends fand ich mich dem Verkehr ausweichend an der Ecke 14th und Constitution in Downtown D.C., als einsamer Fußgänger, der von einem eiskalten Regenschauer erwischt wurde, betrunken und mit klappernden Zähnen, wie Rumbakugeln, eingerollt vor dem Washington Monument. » Ich werde dich fressen « , ein Satz, der mir bis heute im Kopf herumirrt, ob vor einer Steinstatue oder zu anderer Gelegenheit. Nachdem ich noch salutiert hatte, machte ich auf dem Absatz kehrt und schritt wieder über den Rasen in die 14th. Wie ich in jener Nacht in meine Wohnung zurückkam, wird für immer ein Geheimnis bleiben.
    Das Buch war mein Geschenk an Kyle, es zu schreiben, kam jedoch einer Strafe gleich; die Stunden, die ich vornübergebeugt am Bildschirm verbrachte, um die Geschichte abzutippen, wurden meine Buße. Da ich noch nie ein religiöser Mensch gewesen bin – weder christlichen Glaubens noch anderen Hokuspokus –, konnte ich mich einzig daran aufhängen. Blicke ich heute auf jene Zeit zurück, bin ich mir der Strapazen bewusst, die jeden Augenblick prägten.
    Ich war dreizehn, als Kyle starb.
    Und es war meine Schuld.
     
     
     
     
     

Kapitel 2
     
    Aus New York heraus, schneite es hier und da ein wenig, aber nachdem wir die Grenze nach Maryland überquert hatten, lag die Welt gänzlich unter einer weißen Decke. Baltimore verbinde ich vage mit einer Schmutzlandschaft. Industriebauten und mit Graffiti besprühte Werbetafeln wurden von einer todesgrauen Müdigkeit eingenommen.
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