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Die Traenen des Mangrovenbaums

Die Traenen des Mangrovenbaums

Titel: Die Traenen des Mangrovenbaums
Autoren: Anne de Witt
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der eigentlich für fremde, wenn auch prominente Gäste gedacht war. Simeon sollte spüren, dass er im Geschäftsbereich nicht zu Hause war. Dummerweise ging die geplante Kränkung ins Leere. Der Jüngling begriff die Absicht seines Vaters sehr wohl, aber es war ihm gleichgültig, dass er von einem Bereich ausgeschlossen wurde, den zu betreten ihn ohnehin nicht interessierte.
    Er saß steif und sehr aufrecht in dem üppig verzierten Lehnstuhl, die Knie zusammengepresst, die Hände um die Lehnen geklammert, als hockte er in einem Zahnarztstuhl. Zu seinen Füßen lag ein riesiger, seltsam aussehender Hund, ein Fila Brasileiro, braun und gelb gescheckt wie ein Leopard, mit einem klobigen Schädel und Pfoten wie die Pranken eines Tigers. Die Augen des Tieres waren zu Schlitzen geschlossen, als döste es, aber hätte jemand seine Flanken berührt, so hätte er angespannte Muskeln und einen unruhig vibrierenden Atem gespürt. Die Hündin mochte den Vater ihres Herrn nicht. Im Augenblick war ihre ständig schwelende Antipathie besonders ausgeprägt, denn sie fühlte, dass der alte Mann Simeon unglücklich machte.
    Ein kaltes Schweigen hing zwischen Vater und Sohn, das der Jüngere schließlich mit der Bemerkung brach: »Ich weiß, dass letztendlich die Väter die Entscheidungen treffen und diese Entscheidungen wohlbegründet sind …« Seine Stimme klang gepresst.
    Der Ältere blies den Rauch seiner Pfeife in einer langen weißen Wolke durch den Raum. »Dann sehe ich keinen Anlass, noch weiter über das Thema zu diskutieren.« Er bemühte sich, sarkastisch zu klingen, aber auch seine Stimme war angestrengt. So viel Abneigung vonseiten des eigenen Sohnes zu erfahren – und selbst so viel Abneigung gegen ihn zu empfinden –, belastete selbst den kühlen Geschäftsmann, dessen niederländisches Phlegma sonst selten von Emotionen gestört wurde. Mit plötzlicher Heftigkeit setzte er hinzu: »Abgesehen davon: Was, bitte, ist an Anna Lisa Lobrecht auszusetzen, dass du dich gegen eine Heirat mit ihr sträubst, als wollte ich dir ein Ungeheuer an den Hals hängen? Sie ist jung, sie ist hübsch, sie ist wohlerzogen, sie ist gesund und kann zweifellos Kinder bekommen, und ihr Vater schwimmt im Geld.«
    Der Jüngling presste die Lippen zusammen wie einer, den eine Speise anwidert. Er bemühte sich jedoch, ruhig und leise zu sprechen, als er antwortete. »Ich kenne das Mädchen nicht einmal. Ein Lichtbild habe ich gesehen, das ist alles.«
    »In ein paar Tagen wirst du sie kennenlernen.«
    »Aber wer weiß, wie es dann zwischen uns sein wird? Wenn sie mich nicht mag? Oder ich sie? Es macht mir Angst, so ins Blaue hinein zu heiraten.« Er zögerte; dem Gesicht seines Vaters war bereits anzusehen, welche schneidende Antwort ihm auf den Lippen lag, aber dann nahm er seinen Mut zusammen und sprach aus, was ihn quälte. »Ich weiß, man heiratet selten aus Liebe. Aber wenn nicht einmal Zuneigung da ist? Wenn sie mich das erste Mal sieht und ich spüre, wie alles in ihr vor Widerwillen zu Eis erstarrt?«
    »Und wenn schon? Sind wir hier im Theater, dass ihr vor Sentimentalität zerschmelzen müsst, wenn ihr einander in die Arme sinkt?« Der Vater lachte verächtlich dabei. Als er jedoch die mühsam unterdrückte Wut und Bitterkeit auf dem Gesicht seines Sohnes sah, ruderte der Alte zurück. Es tat nicht gut, den Burschen allzu sehr zu reizen. Simeon war ein lebendes Beispiel für den alten, warnenden Spruch: Stille Wasser sind tief. Und außerdem war da dieses gräuliche Vieh an seiner Seite, das bei dem geringsten Verdacht, seinem geliebten Herrn könnte ein Unheil drohen, die Lefzen zurückzog und riesige gelbe Fangzähne zeigte.
    »Lass uns vernünftig miteinander reden, Simeon.« Es klang, als versuchte er, einem Kind etwas begreiflich zu machen, so sorgsam artikulierte der alte Handelsherr jedes einzelne Wort. »Blick den Tatsachen ins Gesicht. Ich bin der Inhaber der größten Kaffee- und Kakao-Importfirma von Amsterdam. Elmer Lobrecht ist einer meiner ältesten und besten Geschäftspartner, jede einzelne Kaffeebohne in meinen Warenspeichern ist mit seinen Schiffen nach Holland gekommen. Es geht um zwei sehr bedeutende Firmen.«
    »Und zwei unbedeutende Menschen, die aneinandergekettet werden wie ein Gespann Ochsen, um das Vehikel dieser Firmen zu ziehen.«
    Das Gesicht des Kaffeehändlers war weicher geworden; bei diesen Worten jedoch – einem für den scheuen Simeon ganz ungewohnten Ausbruch von Impertinenz – verhärtete es
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