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Die Tränen der Henkerin

Die Tränen der Henkerin

Titel: Die Tränen der Henkerin
Autoren: Sabine Martin
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das beste Haus am Platze. Und das einzige weit und breit, in dem es für hochgestellte Reisende eigene Kammern gibt. Die sind im Sommer kühl und im Winter warm, denn sie liegen direkt über dem großen Kamin der Schankstube, der jeden Tag gründlich gereinigt wird. Die Speisen sind von ausgesuchter Qualität, der Wein ist erlesen.«
    Der Augsburger schmunzelte. »Nun, so soll es sein. Ich werde Eurem Vater Grüße von Euch überbringen und ihm versichern, dass Ihr ein ausgezeichneter Handelsmann seid, der weiß, wie man seine Leistungen anpreist. In drei Tagen werde ich ihn sehen, so Gott will, doch jetzt muss ich mich sputen, denn die Sonne geht bereits unter und ich möchte noch ein anständiges Plätzchen für die Nacht im Gasthof ›Zum Löwen‹ bekommen. Morgen muss ich in aller Frühe nach Sulz weiterreisen. Dort kennt Ihr nicht zufällig ebenfalls eine empfehlenswerte Herberge?«
    »Bedauere, nein.« Wendel drehte sich um und blickte ins Haus. »Zu schade, dass Ihr so in Eile seid. Meine Gemahlin und ich hätten uns gefreut, Euch als Gast willkommen zu heißen. Zumal meine Gemahlin selbst aus Eurer wunderbaren Heimatstadt stammt. Sicherlich würde sie gern ein paar Worte mit Euch wechseln.«
    »Was für eine glückliche Fügung!«, rief der Augsburger. »Wie bedauerlich, dass ich gerade heute so in Eile bin. Bitte richtet Eurer Gemahlin meine besten Wünsche aus. Wenn ich das nächste Mal in der Gegend bin, nehme ich Eure Gastfreundschaft dankbar an, das verspreche ich Euch.«
    »Betrachtet Eure guten Wünsche als ausgerichtet. Kann ich sonst irgendetwas für Euch tun?«
    Der Augsburger winkte ab. »Habt Dank. Ich reise morgen mit vier meiner besten Männer weiter, wir sind gut verpflegt und mit schnellen Reittieren ausgerüstet. Und die Wege nach Sulz sind durch das Geleit Ulrichs III. inzwischen sicherer geworden.«
    Er reichte Wendel die Hand, drückte sie kräftig und ging davon.
    Melisande sank auf die Knie. »Herr, hab Dank für deine unendlich Gnade, die mich wieder einmal vor Entdeckung geschützt hat, und verzeih mir meine Sünden. Beschütze den ehrenwerten Kaufmann Johann Hartkopf auf all seinen Wegen, doch führe ihn nicht allzu bald wieder nach Rottweil.«
***
    Hufe donnerten über die äußere Zugbrücke. Von Säckingen griff sein Schwert fester.
    »Ein Bote, Herr!«, rief ein Wächter. »Es ist Arnfried.«
    Von Säckingen entspannte sich. Arnfried kam von Reutlingen, wo er in seinem Auftrag in einer besonderen Angelegenheit Erkundigungen eingezogen hatte. Schon preschte der Reiter durch das Tor, parierte sein Pferd durch und sprang vom Sattel.
    Von Säckingen eilte auf ihn zu. »Seid willkommen, mein Freund.«
    Der Reiter verbeugte sich knapp. Sein Atem ging schnell, der Schweiß zog Linien in seine staubige Stirn. »Seid gegrüßt, von Säckingen.«
    »Wie gut, dass Ihr die Burg noch vor Einbruch der Nacht erreicht habt!« Von Säckingen ließ sich von einem Knecht eine Fackel reichen und bedeutete dem Boten mitzukommen. »Folgt mir.«
    Er ging voran in jenen Keller, der de Bruce zum Verhängnis geworden war. Statt der Fässer mit gepanschtem Wein lagerten hier nun eingelegtes Kraut und Bohnen. Doch hinter dem letzten Fass Kraut hatte von Säckingen ein Fässchen mit einem erlesenen Traminer versteckt. Nicht weil Othilia ihm den nicht gegönnt hätte, sondern weil sich sonst die übrigen Männer darüber hergemacht und den edlen Tropfen gesoffen hätten wie Wasser – eine Verschwendung ohnegleichen.
    Von Säckingen zog zwei Zinnbecher aus einer Mauernische hervor, füllte sie halb und reichte Arnfried einen davon. Der setzte sofort zum Trinken an. Von Säckingen hob die Hand. »Ich weiß, Ihr seid erschöpft und durstig, doch bevor Ihr trinkt, erlaubt mir eine Frage: Habt Ihr gute Neuigkeiten für mich?«
    Arnfried ließ den Becher sinken und schaute hinein, als stünde dort geschrieben, was er seinem Auftraggeber zu antworten hatte. »Ich habe eine Spur von Mechthild, der Magd, gefunden«, sagte er schließlich. »Oder zumindest von einer Frau, die ihr sehr ähnlich sieht.«
    Von Säckingen stieß verärgert Luft aus. »Es gibt Hunderte Frauen, die dieser verdammten Magd gleichen! Wie viele davon habe ich mir bereits vergeblich angesehen?« Sein Herz schlug schnell und hart. Dieses verfluchte Weibsstück beherrschte seit zwei Jahren seine Gedanken. Er hatte sie nur ein einziges Mal gesehen, doch ihr Anblick hatte sich in seine Eingeweide eingebrannt, fraß ihn von innen her auf. Es war, als
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