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Die Tränen der Henkerin

Die Tränen der Henkerin

Titel: Die Tränen der Henkerin
Autoren: Sabine Martin
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Fleisch. Er kannte von Alsenbrunn nur zu gut, war der doch einige Male zu Gast auf der Adlerburg gewesen, als Graf Ottmar noch das Zepter in der Hand gehalten hatte. Zuletzt hatte er die zahlreichen Gäste, die der Burgherr anlässlich der Brautschau und der anschließenden Hochzeit eingeladen hatte, mit seiner Sangeskunst beglückt. Von Alsenbrunn war unantastbar. Im Gegensatz zu ihm selbst. Von Säckingen schauderte, wenn er daran dachte, was de Bruce mit ihm anstellen würde, wenn er erfuhr, dass er der Bettgenosse seiner Frau war. Falls er überhaupt noch am Leben war. De Bruce war zweifelsohne ein hervorragender Kämpfer, aber er war allein nach Italien aufgebrochen, und die Wahrscheinlichkeit, eine so weite Reise ohne Begleitschutz zu überleben, war verschwindend gering. Zudem hatte er in den fast zwei Jahren seit seinem Verschwinden nichts von sich hören lassen.
    Von Säckingen fuhr sich mit der Hand durch das schulterlange blonde Haar. Er musste sich eingestehen, dass er de Bruce den Tod wünschte, dass er sein ruhiges Leben genoss, das nicht mehr von Gewalt und Blut bestimmt war. Nicht, dass er gegen einen ordentlichen Kampf etwas einzuwenden gehabt hätte, im Gegenteil, er bedauerte es, dass er seine Kunstfertigkeit, die er mit täglichen Übungen ständig verfeinerte, in letzter Zeit nicht hatte unter Beweis stellen dürfen. Aber de Bruce’ Schreckensherrschaft vermisste er nicht. Da zog er es vor, Othilia zu dienen. Man konnte ihr nicht absprechen, dass sie es verstand, die Geschicke der Adlerburg mit großer Weitsicht zu lenken.
    Von Säckingen trat vom Palas auf den Hof hinaus. Er schritt zum Haupttor, kontrollierte, ob die Ketten der Zugbrücke gefettet waren, und ließ dann seinen Blick über das Aichtal wandern. Ein Hämmern schreckte ihn auf. Er drehte sich um und entdeckte Nicklas, den jungen Gesellen, der in der Schmiede auf der anderen Seite der Vorburg mit wuchtigen Schlägen ein Stück Metall bearbeitete.
    Zwei Mägde kamen aus dem Schweinestall, trippelten an Nicklas vorbei, lachten ihm zu und fuhren sich mit den Händen durch die Haare. Keine Frage, Nicklas war der Liebling aller weiblichen Bediensteten auf der Adlerburg, und doch war er schüchtern und zurückhaltend. Er nahm die beiden Mädchen gar nicht wahr, hatte offenbar nur Augen für das glühende Eisen.
    Von Säckingen schlenderte am Pferdestall vorbei. Er würde in den nächsten Tagen mit seinem Wallach Excelsior eine neue, äußerst schwierige Attacke üben, bei der er die Zügel fallen ließ und sein Gewicht auf eine Seite verlagerte, damit er einem Hieb oder Geschoss ausweichen konnte und trotzdem beide Arme frei hatte. Excelsior musste lernen, das Gleichgewicht zu halten und weiter geradeaus zu galoppieren.
    Von Säckingen blieb vor Nicklas stehen, doch der bemerkte ihn ebenso wenig wie vorhin die Mädchen. Mit seinen muskelbepackten Armen drosch er weiterhin auf einen rot glühenden Metallstab ein, der in ein oder zwei Wochen ein Schwert sein würde. Nach zehn Schlägen nahm Nicklas das Metall vom Amboss. Erst jetzt wurde er von Säckingens Gegenwart gewahr. Er erschrak, senkte den Kopf und ging leicht in die Knie. »Verzeiht, Herr, ich habe Euch nicht kommen sehen.«
    »Schon gut, Nicklas, erhebe dich.«
    Nicklas tat, wie ihm geheißen, und schaute von Säckingen geradewegs in Augen.
    Von Säckingen erwiderte den Blick. Ein guter Junge, dachte er. Da ist kein Falsch, kein Hass und keine Wut – und das, obwohl er durchaus Grund dazu hätte, mit dem Schicksal zu hadern, ist er doch der älteste lebende Sohn von Ottmar de Bruce. Damit wäre er der Erbe der Adlerburg, wäre seine Mutter nicht eine Küchenmagd gewesen und er somit ein Bastard.
    »Euer Schwert ist fertig, Herr. Eben habe ich einen Knecht mit der Nachricht zu Euch geschickt.«
    »Das trifft sich ja vorzüglich.«
    »Darf ich es Euch zeigen, Herr?«
    »Ich bitte darum, ich bin sehr gespannt auf dein Werk«, erwiderte von Säckingen und meinte es auch so.
    Nicklas neigte abermals den Kopf, dann verschwand er kurz in der Waffenkammer der Schmiede und tauchte wenig später mit einem Bündel wieder auf. Andächtig, als handelte es sich um eine kostbare Reliquie, hielt er von Säckingen das Bündel hin. Der griff mit einer Hand zu und spürte, noch bevor er das Schwert aus dem Tuch gewickelt hatte, dass Nicklas nicht zu viel versprochen hatte. »Es ist unglaublich leicht, Nicklas. Hast du auch genügend Stahl verwendet?«
    Nicklas verzog das Gesicht. »Versucht es,
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