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0479 - Der Blutjäger

0479 - Der Blutjäger

Titel: 0479 - Der Blutjäger
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Gryf ap Llandrysgryf, der Druide vom Silbermond, hätte Bäume ausreißen können - wenn ihm dies nicht sogar im Sprichwort wider den Naturschutz gegangen wäre. Immerhin fühlte er sich wieder fit und zu allen Taten - auch Schandtaten, was auch immer man humorvoll darunter verstehen mochte, bereit. Seine Verletzung war längst auskuriert. Genauer gesagt, die verheilende Schußwunde war in jenem Moment verschwunden, als der Silbermond aus der Zukunft in die Gegenwart zurückpendelte. Trotzdem hatte Gryf einen ganzen Tag lang Phantomschmerzen gefühlt; seine Psyche schien nicht wahrhaben zu wollen, daß die Zeitspur anderen Gesetzen unterlag als die Biologie.
    Gryf setzte sich auf eine Bank und betrachtete die Wellen, die vor ihm ans unbefestigte Flußufer schlugen. Ein paar Schwäne glitten majestätisch über das Wasser, unter ihnen einen schwarzen mit einem feuerroten Schnabel; ein wahres Prachtexemplar. Gryf ließ seine Erinnerung treiben, wie das Wasser die Schwäne trieb.
    Der große Zauberer Merlin hatte einen Fehler begangen. Er hatte versucht, den Silbermond in der Vergangenheit vor seiner zweckbestimmten Zerstörung zu bewahren. Dabei waren uralte, längst ausgelöscht geglaubte dämonische Mächte wieder erwacht und hatten die Erde in eine Hölle verwandelt. Der Silbermond selbst war in die Zukunft geschleudert worden, ins Jahr 2058, und erst das Eingreifen des Träumers Julian Peters von der Gegenwart aus hatte Merlins Fehler korrigiert und das Entsetzliche ungeschehen gemacht. Jetzt umkreiste der Silbermond, gefangen in einem fortwährenden Traum, die Erde, und wer ihn betreten wollte, konnte das nur, indem er sich Zugang in jene von Julian Peters geformte Traumwelt verschaffte. Im Klartext bedeutete das: Niemand betrat den Silbermond ohne Julians Wissen und Wollen. Aber wenn Julian starb, starb auch seine Traumwelt, und der Silbermond würde in die Wirklichkeit zurückstürzen - in welcher er eigentlich nicht mehr existieren durfte. Das würde dazu führen, daß die eben beseitigten unheilvollen Zeit-Veränderungen wieder zu neuem Dasein erwachten. Zumindest zu einem großen Teil…
    Das durfte nicht geschehen. Professor Zamorra hatte geschworen, daß er mit allen Mitteln dafür kämpften würde, daß eine derartige grauenhafte Zukunft niemals Wirklichkeit wurde. Eventuell erkennbare Ansätze in der Gegenwart mußten unbedingt bekämpft werden, um jenen zukünftigen Schrecken abzuwenden.
    Dabei hatte Zamorra selbst gar nicht mal so viel davon erlebt; er hatte sich größtenteils in einem Raumschiff der DYNASTIE DER EWIGEN befunden. Gryf dagegen hatte auf der Erde hautnah miterlebt, in welche Hölle sie sich verwandelt hatte - die Menschen, die den dämonischen Meeghs und den MÄCHTIGEN, welche die Erde beherrschten, noch nicht zum Opfer gefallen waren, waren selbst hinterhältig und bösartig geworden. Gryf, der gutgläubig in diese Szenerie geriet, war angeschossen und schwer verletzt worden. Eine seltsame Gestalt hatte sich seiner angenommen und ihn gerettet: Padrig YeCairn, seines klapperdürren und skeletthaften Aussehens wegen »Gevatter Tod« genannt. Eigenen Angaben zufolge war er aus einer anderen Dimension hierher verschlagen worden, konnte über seine Heimat aber nicht viel mehr sagen, als daß er dort Ausbilder der besten Krieger gewesen war, die jemals in seiner Welt gekämpft hatten. So gut er zu kämpften verstand, soviel verstand er auch von der Heilkunst, mit der er Gryfs Leben rettete.
    Der geheimnisvolle YeCairn war vorerst auf dem Silbermond geblieben.
    Gryf hielt dort nichts mehr.
    Seit mehr als achttausend Jahren hielt der Druide, der aussah wie ein Zwanzigjähriger, der unheimlich gern und viel lachte und dessen blonder Haarschopf noch nie einen Kamm gesehen zu haben schien, sich vorwiegend auf der Erde auf. Und jetzt band ihn noch viel weniger an die Heimat seiner Vorfahren. Auf dem Silbermond gab es keine Druiden mehr. Sie waren alle tot. Ihre Seelen waren damals, vor der Zeitversetzung, von den MÄCHTIGEN versklavt und von Merlins Tochter Sara Moon wieder befreit worden, und sie hatten sich dafür geopfert, mit dem von ihren geistigen Energien weißmagisch aufgeladenen Silbermond die entartete Sonne des Systems der Wunderwelten zu zerstören und damit die Ausgangsbasis der MÄCHTIGEN zu vernichten.
    Wieweit das nach der doppelten Zeitkorrektur noch den Tatsachen entsprach, wagte Gryf nicht zu beurteilen. Fest stand, daß die Seelen jetzt nicht mehr existierten. Sie befanden sich
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