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Die Traene des Drachen

Die Traene des Drachen

Titel: Die Traene des Drachen
Autoren: Christina Matesic
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kleiner Tisch in der linken Ecke neben dem Fenster stehen würde, auf dem sich zahllose Bücher und Schriftrollen stapelten, hätte man sein kleines Reich auch leicht für eine Waffenkammer halten können. In der einen Ecke standen Schwerter unterschiedlichster Machart. Daneben stand eine Holzkiste mit verschiedenen Messern und Dolchen in unterschiedlichen Längen. An der Wand darüber hingen eine stattliche Zahl von Bögen und mehrere Armbrüste mit den dazugehörigen Köchern voller Pfeile. Sein lederner Brustpanzer beanspruchte zusammen mit Helm und Schild die letzte freie Ecke seines Zimmers. Über eine Truhe, die am Fußende seines Bettes stand, hatte er am Abend zuvor achtlos sein Kettenhemd geworfen.
    Allmählich kam Leben in das Schloss. Aus dem Stall, der an den großen Innenhof grenzte, zu dem auch sein Fenster hinausging, drang Pferdegewieher in seine kleine Kammer. Dank seines übermenschlichen Gehörs war es ihm möglich, das Wiehern seines Pferdes von dem der anderen zu unterscheiden. Arok, sein schwarzer Hengst, war also auch schon wach.
    In letzter Zeit wurde er wieder von seinen guten alten Bekannten, seinen Albträumen, heimgesucht, die ihm heftig zusetzten. Nur die Ausritte mit seinem Pferd in den frühen Morgenstunden halfen ihm die nächtlichen Schatten abzuschütteln. Nachdem das Zittern seiner Hände endlich aufgehört hatte, nahm er den Krug von seinem Nachttisch und wollte ihn an die Lippen setzen, als er abrupt innehielt, um noch einen Blick hinein zu werfen. Er musste sich vergewissern, dass er auch tatsächlich Wasser und nicht etwa Blut enthielt wie gerade eben der See in seinem Traum. Er genoss genoss jeden einzelnen Schluck, wie er seine ausgetrocknete Kehle erfrischte. Dann wusch er sich rasch, indem er sich einfach einen halben Eimer Wasser über den Kopf goss. Über seine schwarze Tunika zog er nur ein Lederwams. Auf das Kettenhemd und den Brustpanzer, die er üblicherweise trug, konnte er bei seinen frühen Ausritten verzichten. Er schnallte den breiten schwarzen Ledergürtel mit seinem Kurzschwert um, schulterte seinen Bogen und den Köcher mit den Pfeilen. Zum Schluss nahm er noch seine schwarze Ledermaske vom Nachttisch und setzte sie sich auf. Dann begab er sich mit großen, kraftvollen Schritten zu Arok, seinem einzigen Freund, dessen Seele wahrscheinlich genauso schwarz war, wie seine eigene.
     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     
     

Teil I - Die Flucht

Kapitel 1
     

     

    Da stand Elea nun, in ihrem häuslichen Zufluchtsort, einer kleinen Kammer, die sie sich mit Kaitlyn teilte. Masha, Kaitlyns Puppe, thronte, wie immer, mitten auf dem großen Bett. Als ihr Blick auf den dunkelbraunen mit roten Hühnerfedern durchsetzten Haarschopf der Puppe fiel, musste sie unwillkürlich lächeln. Und das, obwohl zu erwarten gewesen war, dass sie zu solch einer Reaktion nicht im Stande wäre, wo Albin ihr doch gerade die niederschmetternde Bestimmung offenbart hatte, die das Schicksal schon seit ihrer Geburt für sie bereithielt. Louan, Kaitlyns älterer Bruder, hatte die Puppe seiner kleinen Schwester zum fünften Geburtstag vor knapp einem Monat geschenkt. Kaitlyn war außer sich vor Freude gewesen, denn es war ihre erste Puppe. Und den für sie einzigen Makel, nämlich Mashas gelbe Strohhaare, behob sie binnen weniger Augenblicke: Sie nahm das Fläschchen mit der braunen Arnikatinktur aus dem hölzernen Arzneikasten ihrer Mutter und färbte damit das Strohhaar dunkelbraun. Dann rannte sie in den Hühnerstall, sammelte drei rotbraune Federn vom Boden auf und steckte sie in Mashas Kopf. Und da Elea nie Mädchen- oder Frauengewänder trug, musste natürlich Mashas Kleid einer Hose und einem Hemd weichen, die Elea ihr nach stundenlangem Bitten und Flehen nähte. Fertig war eine Elea in Miniaturausführung.
    Elea hatte wahrhaftig außergewöhnliches Haar, wenn man bedachte, dass es sich in dem kleinen Dorf Rúbin und darüber hinaus, laut Breanna, im ganzen Königreich Moraya niemand finden würde, der mit einer vergleichbaren dunklen Haarpracht gesegnet war. Als Kind empfand es Elea allerdings nicht gerade als Segen ständig von den Dorfbewohnern oder Durchreisenden wie ein vierbeiniges Huhn begafft zu werden. Andererseits konnte sie es den Menschen nicht verdenken. Ihr dunkelbraunes, in der Sonne rötlich schimmerndes, welliges Haar mit den drei vorwitzigen, roten Strähnen, von denen zwei zur linken und eine zur rechten Seite ihres Mittelscheitels
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