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Die Traene des Drachen

Die Traene des Drachen

Titel: Die Traene des Drachen
Autoren: Christina Matesic
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war anwesend gewesen - als Albin mit gequälter Miene der jungen Frau die Hinterlassenschaft ihrer leiblichen Eltern in Form einer Holzschatulle überreicht hatte. Louan hatte ununterbrochen auf einem Stück Brot herumgekaut, während Kellen den Raum mit Wut unterdrückender Unruhe erfüllte. Der Rest der Familie, Elea eingeschlossen, war in einer allgemeinen Starre gefangen. Albin war als Einziger in der Lage gewesen zu sprechen, wenn auch mit deutlicher Mühe. Breanna weinte unablässig in ihrem Schaukelstuhl leise vor sich hin und Kaitlyn hielt mit immer größer werdenden Augen Eleas Hand. Sie selbst hatte stumm und mit wachsender Beklommenheit Albins Worte über ihre rätselhafte Herkunft verfolgt. Schließlich war sie wie in Trance seiner Aufforderung nachgekommen, die kleine Schatulle zu öffnen, die sie mit zitternden Händen umklammerte. Albins Erklärungen wurden nur gelegentlich von Kellens wütendem Schnauben untermalt. Er machte den Eindruck, als platzte er jeden Moment.
    Dabei hatte der Tag so gut angefangen: Elea war schwimmen gegangen - ganz allein ohne irgendeinen ihrer männlichen Aufpasser. Schwimmen war eine ihrer großen Leidenschaften und die verband sie mit ihrer größten: Sie liebte es zu rennen – am liebsten in ihrem Wald. Das gab ihr das Gefühl, sich frei wie ein Vogel in die Lüfte zu erheben.
    Elea stellte die Schatulle, die sie die ganze Zeit über verkrampft in den Händen gehalten hatte, auf den Tisch mitten auf Mashas Garderobe, die genauso eintönig war wie ihre eigene. Kellen hatte inzwischen mit dem Holzhacken aufgehört. Du Hitzkopf! Wahrscheinlich hast du jetzt Albins gesamtes mühsam aufgestapeltes Holz klein gehackt! Aus dem Stall war plötzlich aufgeregtes Gewieher zu hören. Jetzt wird er wahrscheinlich die Pferde wund striegeln . Diese Vorstellung entlockte ihr absurderweise erneut ein Lächeln, welches aber schnell wieder erstarb bei dem Gedanken an die armen Tiere.
    Elea ließ ihren Blick über die Holzschatulle gleiten. Sie war übersät von eingeschnitzten, fremdartigen Zeichen und Symbolen, die sie nicht entziffern konnte. In der Mitte auf dem Deckel war ein großer in Silber eingefasster roter Stein. Seine Farbe hatte auffallend Ähnlichkeit mit dem Rot ihrer drei kecken Haarsträhnen und seine Form mit einem Auge, das sie auf unheimliche Weise anzustarren schien. Der silberne Verschluss ähnelte züngelnden Flammen. Mit zitternder Hand löste sie ihn und hob den Deckel langsam an, als rechnete sie damit, dass ihr jeden Moment echte Flammen entgegenschlagen würden. Nichts dergleichen geschah. Also nahm sie vorsichtig das sehr alt und zerbrechlich wirkende Schriftstück heraus, auf dem die unheilvolle Prophezeiung geschrieben stand. Es fühlte sich stabiler an, als es aussah. Mit einem Mal fielen ihr zwei Gegenstände ins Auge, die ihr eben noch, als sie von ihrer Familie umringt war, gar nicht aufgefallen waren. Ein etwa drei handbreit langer Stab, der dieselben Zeichen und Symbole trug wie die Schatulle, füllte deren gesamte Länge aus. Elea legte das Schriftstück auf den Tisch und nahm ihn heraus. Sie strich an ihm entlang. Es war weder Holz noch Metall. Er fühlte sich so kalt wie Stein an, war jedoch dafür viel zu leicht. So leicht wie Horn vielleicht. Sie legte ihn auf den Tisch neben die Prophezeiung und holte noch ein kleines Ledersäckchen hervor. Sie öffnete es und zum Vorschein kam ein rotbräunlicher, rauer Stein, dessen Form an einen Tropfen erinnerte. Im Gegensatz zu dem Stab fühlte er sich für einen Stein ungewöhnlich warm an. Er sollte wohl als Halskette getragen werden, vermutete Elea, da durch ihn ein Lederband gebohrt war. Sie schlossihre Hand um ihn, ergriff wieder das Schriftstück und las sich noch einmal die verhängnisvollen Worte laut vor, die sie gerade in der Wohnstube still für sich gelesen hatte:
    „ Eine Frau – fast noch ein Mädchen –
    wird sich erheben auf mächtigen Schwingen
    hoch in den Himmel empor –
    des Menschenvolkes letzter Hoffnungsschimmer,
    der so hell erstrahlt wie am Firmament
    der glühend rote Feueratem, der ihr vorauseilt.
     

    Verbündet mit dem Herrscher des Feuers,
    gewappnet mit unbeugsamem Willen
    und gestärkt mit der Macht der Liebe,
    vermag allein sie es,
    einen übermächtigen Feind zu bezwingen
    und auf immer und ewig zu vernichten.
     

    Kummer und Schmerz, Opfer und Qualen
    sind ihre steten Wegbegleiter
    bis zum unausweichlichen Ende des Kampfes
    zwischen Gut und Böse, -
    einer Schlacht,
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