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Die Traene des Drachen

Die Traene des Drachen

Titel: Die Traene des Drachen
Autoren: Christina Matesic
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fielen, hob sich geradezu von dem Haar des morayanischen Volkes ab, dessen Farbpalette meist nur von hellblond bis hellbraun reichte. Doch damit nicht genug. Ihre Haarsituation verschlimmerte sich an dem Tag, an dem Kaitlyn vor gut fünf Jahren zur Welt kam. Dieser Tag hätte für Elea zu einem der schönsten Tage ihres Lebens werden können. Sie durfte Breanna und Albin bei der Geburt ihrer Tochter beistehen. Dadurch war es ihr vergönnt, an dem überwältigenden Glücksgefühl teilzuhaben, welches Eltern in dem Moment empfanden, wenn sie nach den Strapazen der Geburt zum ersten Mal ihr Kind in den Armen hielten. Das damals dreizehnjährige Mädchen nahm dieses kostbare Gefühl der unerschütterlichen Liebe in ihrem Herzen auf und behütete es seitdem wie einen Schatz, da es – soweit sie glaubte – nicht viele solche intensiven, von Liebe geprägte Gefühle gab. Gut, es gab noch die Liebe zwischen Mann und Frau, aber auf diesem Gebiet hatte sie noch keine Erfahrungen gemacht. Wie auch?! In der Abgeschiedenheit ihres kleinen, bescheidenen Zuhauses, das sie mit ihren Pflegeeltern Breanna und Albin und deren drei Kindern teilte – einen halben Tagesritt von Rúbin entfernt? Traurig war Elea jedoch nicht darüber. Die Vorstellung, mit gerade mal achtzehn Jahren verheiratet zu sein – wie es in Moraya für viele junge Frauen üblich war - und für das leibliche Wohl des Gemahls und der Kinder zu sorgen, schreckte sie ab und erschien ihr, was ihre Person betraf, mehr als unpassend.
    Jenes wundervolle Ereignis der Geburt der kleinen Kaitlyn bekam nun aber einen bitteren Beigeschmack nicht allein aufgrund der Tatsache, dass Elea, als sie abends zu Bett ging, Blutflecke in ihrer Lendenhose entdecken musste. Als ob diese Entdeckung nicht schlimm genug gewesen wäre, wenn man die allmonatlich wiederkehrenden Unannehmlichkeiten bedachte. - Oh nein! Ihre Haare, vor allem die drei kupferroten Haarsträhnen begannen von dieser Nacht an im Dunkeln zu leuchten, besser gesagt, rot zu glühen. Dies hatte nun wieder zu Eleas Leidwesen dazu geführt, dass Albin und Breanna ihr verboten, das Haus zu verlassen, sobald sich die Abenddämmerung über den Tag legte – warum auch immer. Und wenn es doch notwendig war, dann nur mit Kopfbedeckung. Darauf achteten ihre Pflegeeltern mit einer für Elea schwer verständlichen und beharrlichen Konsequenz. Doch das Mädchen setzte sich, je älter es wurde, zunehmend über dieses Verbot hinweg, wenn sie sich des Nachts, sobald alle im Haus schliefen, aus dem Fenster ihres Zimmers auf einen nahen Ast des Apfelbaums schwang und mit unbedecktem Haar, das ihr wie züngelnde Flammen hinterher wehte, in den nahen Wald stürmte.
    So kam es, dass man Elea fast nur mit Kopfbedeckung sah. Breanna zeigte ihr, wie sie sich halbwegs elegant ein Tuch um den Kopf binden konnte, um zumindest einen Hauch von Weiblichkeit zu behalten, die unter ihren Jungenkleidern weitestgehend verborgen blieb.
    Laute Schläge von draußen kommend rissen Elea jäh aus ihren Gedanken. Jemand hackte Holz unter höchster Kraftanwendung. Und auch jetzt bemerkte sie erst die fünfköpfige Spatzenfamilie, die aufgeregt auf ihrer Fensterbank herumhüpfte. Tut mir leid, meine kleinen Freunde! Aber mir ist jetzt nicht zu einem kleinen Plauderstündchen zumute. Sie steuerte mit langsamen, verkrampften Schritten auf das Fenster zu. Sie hatte völlig das Zeitgefühl verloren. Wie lange sie in diesem Schockzustand ihren Erinnerungen nachgehangen war, wusste sie nicht. Mit einer Ahnung davon, wer draußen unüberhörbar seinem Frust freien Lauf ließ, blieb sie an dem geöffneten Fenster stehen. Der Lautstärke und der Frequenz der Schläge nach zu urteilen, musste es Kellen sein. Ihre Vermutung bestätigte sich. Dies war seine Art, sich mit Wut und Hilflosigkeit auseinanderzusetzten. Der Schweiß tropfte ihm bereits in kleinen Rinnsalen von der Stirn und das braune Hemd war unter den Armen und auf der Brust ebenfalls durchnässt.
    Die Äste des Apfelbaums vor ihrem Fenster wiegten sich leicht hin und her und die zum Teil sich schon gelb färbenden Blätter rauschten sachte im Wind, der sich spielerisch in ihnen verfing. Eleas Blick schweifte hinunter auf den Boden, wo sich bereits ein paar Hühner mit ihrem Schnabel aus den heruntergefallenen Äpfeln kleine Stücke hackten. Kaitlyn hatte sie heute noch nicht aufgelesen, eine Aufgabe, die sie normalerweise mit Begeisterung erfüllte. Kein Wunder! Sie war dabei gewesen - Eleas ganze Familie
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