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Die Totenfrau des Herzogs

Titel: Die Totenfrau des Herzogs
Autoren: Dagmar Trodler
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Durch den Lufthauch wallte eine unerwartete Gestankwolke auf, ein junger Soldat fiel in Ohnmacht, andere taumelten. Dann riss sie sich die Seidendecke von den Schultern und breitete sie mit einem kühnen Wurf über ihren toten Gatten. Mit beiden Händen strich sie demonstrativ über die Decke. Eisig ruhte dabei ihr Blick auf Ima, die sich hinter die Knappen zurückgezogen hatte. Eisig durchbohrte ihr Blick auch Imas Herz, unversöhnlich und rachsüchtig, weil sie als Trägerin des Mantels möglicherweise der einzige Mensch war, der von den niederträchtigen Plänen der Herzogin Kenntnis hatte. Vielleicht war ihr Leben dadurch in Gefahr. Vielleicht würde sie niemals Ruhe finden, solange Sicaildis lebte.
    Vielleicht war dies der Scheideweg. Stolz macht einsam, hatte der alte Recke gesagt. So war es wohl.

     
    Und Ima traf ihre Entscheidung. Sie schob sich an den Männern vorbei und ging auf die Bahre zu. Dort bückte sie sich nach Bohemunds Mantel. Der Diener wollte sie daran hindern, doch sie schob ihn zur Seite, und das so heftig, dass er beinah stolperte. Gérard bewegte sich nicht, und sie war ihm dankbar dafür.
    Als sie sich aufrichtete, den Mantel im Arm, traf ihr Blick Sicaildis. Geringschätzung hatte der alten Dame einen hässlichen Zug um den Mund gemalt und ihre bläulichen Lippen zu dünnen Strichen verzerrt. Die Kerben neben ihrer Nase wurden vom Hohn gespeist - Hohn, der ihre Augen in schwarze Eisseen verwandelte. Und dann fing sie an zu lachen - erst leise, dann immer lauter, bis es beinah hysterisch klang und Roger Borsa ihr zu Hilfe eilte, weil ihr gebrechlicher Körper zu schwanken begann. Unruhe entstand um die Bahre herum, doch niemand wagte einzugreifen oder auch nur einen Schritt in Imas Richtung zu tun - da die Herzogin sich so engagierte, musste diese Person bedeutsam sein. Sie sah in ihren zerlumpten Kleidern zwar aus wie eine einfache Frau, doch dass sie von vornehmer Geburt war, konnte jedermann, der Augen im Kopf hatte, ihrer Haltung ansehen. Die meisten, die wirklich wussten, wer sie war, lagen auf dem Grund des Meeres. Bruder Thierry. Marc de Neuville. Marc hätte Partei für sie ergriffen - er hätte Bohemunds Mantel für sie aufgehoben. Und vielleicht hätte er den Mantel sogar trotzig auf die Bahre zurückgelegt, weil er wusste, dass der Sohn dem Vater so gerne die Ehre erwiesen hätte. Doch Marc war tot. Jetzt gab es nur noch sie, und diese Frau.
    Ima ließ ihren Blick auf der Herzogin ruhen. Sie nahm sich Zeit für diesen Abschied. Sie strich sich die Haare aus dem Gesicht, dann verneigte sie sich anmutig, wie es bei Hofe üblich war, und strafte ihre schlechte Kleidung damit für jedermann Lügen. Ohne ein weiteres Wort drehte sie
sich um, den Mantel des Prinzen wie eine kostbare Gabe auf dem Arm, und ging davon, und die Reihen der Umstehenden öffneten sich ihr wie ein Korridor der Achtung, dessen vornehmen Teppich man nicht sehen, aber sehr wohl spüren konnte.
    »Tja. Mein - mein Dank gilt nun Euch, Chevalier«, hörte Ima noch. »Ihr sollt Eure Herzogin als großzügig erleben für diese tapfere Tat. Ich will Euch mit einem Titel versehen und mit einem angemessenen beneficium …«
    »Das tat Euer Gatte bereits, ma dame «, unterbrach Gérard in, wie sie fand, recht unhöflicher Manier. Kurz blieb sie stehen, um zu hören, was für törichtes Zeug dieser ungehobelte Normanne noch von sich geben würde. Niemals würde er lernen, sich unter ihresgleichen zu bewegen, ohne aufzufallen. »Euer Gatte schenkte mir seinerzeit Noceria und belehnte mich mit Ländereien …«
    »Nun, dann lasst mich seine Schenkung ergänzen, Chevalier de Hauteville. Zögert doch nicht! Sprecht vor, wenn wir wieder in Salerno weilen. Benötigt Ihr ein Pferd? Ein Pferd für den Chevalier, rasch! Er soll …«
    Den Rest hörte Ima nicht mehr, weil sie die Wacholderbüsche rasch zwischen sich und das Zelt gebracht hatte. Es gab nichts mehr zu hören. Sicher überschüttete Sicaildis den Chevalier nun mit Geschenken und Aufmerksamkeit, wie sie es mit Günstlingen zu tun pflegte. Das Gespür für den rechten Moment hatte sie von ihrem Gatten übernommen. Ima wusste jedoch, dass ihre Gunst stets Gegenleistungen verlangte - auch solche, die den Preis der Gunst bei weitem überstiegen und über die sich so mancher bei ihr verschuldet hatte. Sie war sich nicht sicher, ob Gérard das wusste.
     
    »Und - was werdet Ihr jetzt tun?«
    Gérard runzelte die Stirn und stellte seinen Becher ab. Man hatte ihm dunkelroten
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