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Die Totenfrau des Herzogs

Titel: Die Totenfrau des Herzogs
Autoren: Dagmar Trodler
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Wein kredenzt und Früchte
angeboten, um damit die Zeit, die er auf das Pferd warten musste, in angenehmer Weise zu überbrücken. Sicaildis hatte darauf bestanden, ihm ein Pferd aus den Stallungen des Herzogs zu schenken - vermutlich befand sich gerade die Festung in Aufruhr, denn der Komandant war tatsächlich selbst hinübergeritten, um das Pferd auszusuchen. Gérard war so viel Aufmerksamkeit unangenehm, doch das Geschenk abzulehnen wäre in höchsten Maße unhöflich und undankbar gewesen. Er saß also in der Klemme, und weil er auch nicht mitbekommen hatte, wohin Ima gegangen war, spielte er nervös an seinem Gürtel herum. Die Reihen hinter ihr hatten sich einfach geschlossen.
    Derweil waren am Strand Vorbereitungen getroffen worden, die ihm ebenfalls Unbehagen verursachten. Ein großes Feuer brannte, nun lud man einen riesigen Kupferkessel vom Karren und füllte ihn mit Wasser. Zwei Mönche standen daneben und vermaßen mit hölzernen Stangen den Kessel und zu Gérards Entsetzen auch die Bahre des Herzogs, welche nicht mehr beim Zelt stand. Der Gestank war nicht mehr zu ertragen gewesen. Er hatte davon gehört, wie man mit Toten verfuhr, deren Zeit abgelaufen war. Auch Robert Guiscard würde sein Grab in zwei Kirchen finden - sein Herz würde man in Otranto beisetzen, die Knochen wie geplant in der Kathedrale von Venosa. Das jedenfalls war Sicaildis vorgeschlagen worden. Wieder sah er zu dem Kupferkessel hinüber. Und hoffte, dass man ihn nicht etwa auffordern würde, dem grausigen Ende der herzoglichen Konservierung beizuwohnen.
    Sicaildis räusperte sich. Verwirrt wandte er sich ihr wieder zu.
    Was wollte sie hören? Dann sah er ihr in die Augen, sah nicht mehr die Herzogin, sondern die Frau, die die Heilerin von Lindisfarne vorhin wie eine Bettlerin fortgeschickt hatte, ohne ihr auch nur einen Becher Wasser angeboten zu
haben. Sie würde nicht gutheißen, was ihm durch den Kopf ging. Aber Gérard wusste jetzt ganz sicher, dass er nicht ihr Günstling sein wollte.
    »Ihr ahnt wohl, was ich jetzt tun werde, ma dame. «
    Sie kniff die Augen zusammen und sah plötzlich hässlich aus. »Ich vermute, Ihr werdet eine große Dummheit begehen, indem Ihr Euch entfernt.«
    Er hob die Brauen. Dann nickte er langsam. »So Gott will - ja. Ja, ma dame .«
    Hinter ihm hustete jemand, Füße scharrten im Sand. Ohne hinzuschauen, wusste er, dass sie fassungslos über diese Antwort waren und noch mehr über seine Dreistigkeit, ihr Angebot zurückzuweisen. Die Herzogin hatte ihn nicht aus den Augen gelassen. Nichts konnte man in ihrem Gesicht lesen, rein gar nichts. Sie ließ sich auch in dieser vergleichsweise unbedeutenden Angelegenheit nicht in die Karten schauen. Er fragte sich, was zwischen ihr und Ima wohl vorgefallen sein mochte, dass ihre Wut auf die Heilerin so grenzenlos war. Ob Ima ihm das eines Tages erzählen würde? Würde er sie überhaupt wiedersehen?
    Eilig erhob er sich und deutete eine Verbeugung an. »Ihr erlaubt, ma dame …«
    »Ich vermute, Ihr werdet Euch nun auf den Weg machen, Eure Dummheit zu begehen«, knurrte die alte Dame. »Nun. Hier kommt Euer Pferd. Möge es stark genug sein, seine doppelte Last zu tragen.« Ihr Gehör war offensichtlich immer noch sehr gut, denn kaum hatte sie das letzte Wort ausgesprochen, brach ein Reiter durch die Reihen und sprang schwer atmend aus dem Sattel: der Kommandant der Festung von Otranto auf einem schweißnassen Schimmel.
    » Ma dame , ich bringe Euch das verlangte Pferd. Und Nachrichten überbringe ich auch.« Er räusperte sich. »Ein Spitzel berichtet, dass vor zwei Tagen Graf Bohemund in Bari an Land gegangen ist.«

    Sicaildis hob den Kopf. Ihr Blick verfinsterte sich. »Was wisst Ihr noch?«, fragte sie mit scharfer Stimme.
    Der Kommandant zupfte an seinem Bart herum. »Mein Spitzel berichtet, dass Herr Bohemund sich mit dem Fürsten von Capua traf.«
    Unruhe entstand bei dem Namen von Robert Guiscards altem Rivalen. Jedermann ahnte, dass Apulien nicht zur Ruhe kommen würde.
    Sicaildis’ Augen blitzten. »Soll er doch«, sagte sie mit klarer Stimme. »Soll Herr Bohemund sich doch treffen, mit wem er will.« Damit war die Angelegenheit für Roberts machtbewusste Gattin erledigt.
    Ein Knappe angelte nach dem Zügel, Soldaten musterten das blütige Pferd mit anerkennendem Blick. So entlohnte ein Herrscher. Sie wusste, was sich gehörte. Roger drängte sich nach vorn, immerhin war er der Thronerbe. Wieder einmal war seine Mutter ihm zuvorgekommen und
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