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Die Totenfrau des Herzogs

Titel: Die Totenfrau des Herzogs
Autoren: Dagmar Trodler
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Jungfrau - du kannst schließlich nicht zu Fuß nach Salerno …«
    Mit dem Kopf deutete er auf ihre nackten Füße.
    Ima erhob sich, trotz ihrer Müdigkeit jetzt mit heftigem Ärger im Bauch. Doch der Mann konnte ja nicht wissen, dass sie von Reisegruppen die Nase voll hatte. Dass sie es leid war, anderen zu Diensten zu sein und ihren Schutz annehmen zu müssen. Er konnte nicht wissen, dass sie sich für Stolz und Einsamkeit entschieden hatte …
    Und so dankte sie ihm höflich für die Erfrischung, faltete den übel riechenden Mantel des Grafen über ihrem Arm und machte sich auf den Weg zum Hoftor, wo laut gackernd Hühner Staub aufwirbelten und einen Schleier aus gelber Erde über ihr helles Kleid zauberten.
    »Ich könnte dir meinen Esel verkaufen, Mädchen!«, rief er hinter ihr her. »Deine hübsche kleine Fibel wäre ein angemessener Preis für meinen Esel, hörst du? Den Proviant würde ich dir sogar dazugeben! Du kannst doch nicht …«
    Sie hörte ihn schon nicht mehr. Esel! Ima lachte laut auf. Sie würde keinen Esel reiten, und auch kein Maultier. Was auch vor ihr lag - sie würde nie mehr einen Esel reiten.
     
    Ein Kleid blitzte zwischen den Pinien auf, dann verschwand es, doch er hatte es gesehen. Er befand sich auf dem richtigen Weg.
    Die Wälder hier unten waren so still, ganz anders als in der Heimat. Guter Beutegrund auch für Räuber; man sagte, dass in unruhigen Zeiten hier kaum jemand sicher seines Weges ziehen konnte. Auch als Otranto den Weg dann unter Bewachung stellte, hatte es Überfälle sogar tagsüber gegeben, und Menschen hatten dabei ihr Leben gelassen. Doch was wollte man auch erwarten in einem Land, an dessen Spitze ein Mann regiert hatte, der sich seine ersten Goldstücke gewissenlos erräubert und ermeuchelt hatte …
Gérard parierte sein Pferd durch, um nicht an den tief sitzenden Ästen hängen zu bleiben. Er sah ramponiert genug aus. Für ein neues Kettenhemd würde er sich verschulden müssen, auch das hatte die Dankbarkeit der Herzogin nicht beinhaltet. Doch für den Moment war er froh, es los zu sein, er schwitzte ohnehin schon genug, und er musste doch besonders wachsam sein. Die Leute erzählten nämlich auch von Bären, die hier manche Berghöfe überfielen, wenn sie hungrig waren. Und Wölfe hatte man schon am helllichten Tag gesehen. Viele sperrten das Geflügel in die Scheunen … er hatte allerhand in Otranto gehört. Genug, um zu wissen, dass er schnellstens nach Salerno zurückkehren wollte.
    Doch da war sie ja. Es gab nur eine Frau im ganzen Herzogtum Apulien, die den gefährlichen Weg nach Salerno allein und zu Fuß gehen würde. Nur eine, die weder Bären noch Wegelagerer fürchtete, weil sie das alles schon überlebt hatte. Nur eine, die hochmütig alle Ratschläge in den Wind schlug und die von Gott dennoch geliebt wurde.
    Gérard ermunterte sein Pferd zum Galopp. Zufrieden schnaubend flog es unter ihm dahin, um die Frau einzuholen, die närrisch genug war, sich Sicaildis von Salerno zur Feindin zu machen.
     
    Spielerisch hob der Wind ihr Kleid, als sie über einen Findling kletterte, um nicht einen Bach durchwaten zu müssen. Sie blieb auf dem Fels nur kurz stehen und wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht. Vielleicht hatte der Weinbauer recht gehabt, vielleicht hätte sie doch den Esel nehmen sollen … nein. Keinen Esel. Stattdessen sprang sie dann doch mit beiden Füßen ins Wasser, spritzte sich das kühle Nass über Schultern, Arme und ins Gesicht und kletterte erfrischt am gegenüberliegenden Ufer wieder hoch. Ihr Kleid hing schwer zu Boden und zog eine Spur hinter ihr her, doch das machte nichts. Sie lachte vergnügt, weil ein merkwürdiges
Gefühl von Freiheit in ihr hochstieg - es kribbelte ihr auf der Haut und ließ sie tief einatmen - so tief, wie sie noch niemals zuvor Luft geholt hatte. Das Ausatmen wurde zum Fest, und weil es so guttat und bis tief in ihren Bauch vordrang, probierte sie es gleich noch einmal. Lächelnd versuchte die Sonne, die Wassertropfen auf ihrem Gesicht zu trocknen, und auch das kribbelte so wohlig, dass sie die Augen schloss und das herangaloppierende Pferd darüber nur hörte, aber nicht sah. Das Hufgeräusch hielt direkt auf sie zu. Ima blieb stehen. Es gab keinen Grund, die Augen zu öffnen. Keinen einzigen.
     
    Ihr Kleid war nass, sie trug immer noch keine Schuhe. Der dunkelblaue Mantel hing zerrissen in den Staub, nur das wirre, auf den Rücken herabfallende Haar glänzte wie Kaskaden von flüssigem Gold. Es
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