Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition)

Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition)

Titel: Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition)
Autoren: Robert Wilson
Vom Netzwerk:
wurde, deutet möglicherweise auf eine Absprache hin. Eine Mutter könnte den Gedanken an den Tod ihres eigenen Kindes nicht ertragen.«
    »Aber ein Vater schon?«
    »Es kommt auf den Druck an. Wenn die Möglichkeit finanzieller oder moralischer Bloßstellung besteht, würde er vielleicht nicht wollen, dass sein Sohn sie mit ansieht oder mit dem Wissen leben muss. Männer haben schon ganze Familien ausgelöscht, weil sie glaubten, dass sie versagt hätten und dass es besser wäre, wenn niemand überlebte, der ihren Namen und die damit verbundene Schande trüge.«
    »Aber Sie haben Ihre Zweifel?«, fragte Calderón.
    »Selbstmord, ob als Pakt oder nicht, ist selten eine spontane Entscheidung, und der Tatort weist diverse Aspekte spontanen Verhaltens auf. Erstens war die Tür nicht sicher verriegelt. Consuelo Jiménez hatte angerufen, um zu sagen, dass Mario eingeschlafen war, sodass sie sicher sein konnten, dass er an diesem Abend nicht mehr nach Hause kommen würde, trotzdem haben sie die Tür nur einmal abgeschlossen.«
    »Die Tür war zu, das reicht doch.«
    »Wenn Sie etwas Derartiges vorhaben, würden Sie die Türen gut verriegeln, um absolut sicherzugehen, dass Sie auf keinen Fall gestört werden. Das ist eine psychologische Notwendigkeit. Ernsthafte Selbstmörder ergreifen normalerweise alle erdenklichen Vorkehrungen.«
    »Was sonst noch?«
    »Die Art, wie alles einfach liegen gelassen wurde – Telefon, Pralinen, Pantoffeln –, deutet auf mangelnde Planung hin.«
    »Nun, zumindest, soweit es die Frau betrifft«, sagte Calderón.
    »Da haben Sie natürlich Recht«, sagte Falcón.
    »Abflussreiniger?«, fragte Calderón. »Warum würde man Abflussreiniger nehmen?«
    »Vielleicht finden wir in der Flasche ja noch etwas Stärkeres«, sagte Falcón. »Und warum? Vielleicht wollte er sich selbst bestrafen… sich von all seinen Sünden reinwaschen. Außerdem hat es den Vorteil, geräuschlos und, je nach dem, was er genommen hat, auch unwiderruflich zu sein.«
    »Nun, das klingt wiederum nach Planung, Inspector Jefe.«
    »Wenn die beiden Händchen haltend nebeneinander im Bett lägen mit einem an seinen Pyjama gehefteten Abschiedsbrief, würde ich die Fälle liebend gern als Selbstmorde behandeln. Aber so würde ich es vorziehen, wegen Mordverdachts zu ermitteln, bevor ich mich festlege.«
    »Vielleicht gibt der Zettel in seiner Hand…«, sagte Calderón. »Aber seltsam, sich erst bettfertig zu machen, bevor man…, oder ist das eine weitere psychologische Notwendigkeit? Sich auf den tiefsten Schlaf von allen vorzubereiten?«
    »Wir wollen hoffen, dass Señor Vega der Typ war, der seine Überwachungskameras eingeschaltet und die Rekorder mit unbespielten Bändern geladen hat«, kam Falcón aufs Pragmatische zurück. »Wir sollten uns mal in seinem Arbeitszimmer umsehen.«
    Sie gingen durch die Eingangshalle und über einen Flur neben der Treppe. Vegas Arbeitszimmer lag auf der rechten Seite mit Blick auf die Straße. Hinter seinem Schreibtisch stand ein zurückgeschobener Ledersessel, an der Wand hing ein gerahmtes Plakat von den Stierkämpfen der Feria de Abril.
    Der Schreibtisch war aus hellem Holz, groß und bis auf einen Laptop und ein Telefon leer, darunter stand ein Rollschrank mit drei Schubladen. Hinter der Tür reihten sich vier schwarze Aktenschränke, und am anderen Ende des Raumes standen die Aufnahmegeräte für die Überwachungskameras. Keine der Anzeigen leuchtete, und die Stecker waren aus der Wand gezogen. Jedes Aufnahmegerät enthielt ein unbespieltes Band.
    »Das sieht nicht gut aus«, sagte Falcón.
    Die Aktenschränke waren abgeschlossen, so wie auch die Schubladenschränkchen unter dem Schreibtisch. Falcón ging wieder nach oben ins Schlafzimmer, entdeckte einen begehbaren Kleiderschrank mit Vegas Anzügen und Hemden auf der rechten und Lucías Kleidern sowie einer imposanten Schuhkollektion auf der linken Seite. In einer schmalen Kommode fanden sich eine Brieftasche, ein Schlüsselbund und Kleingeld.
    Mit einem der Schlüssel ließ sich der Rollschrank unter dem Schreibtisch öffnen. In den oberen beiden Schubladen befand sich nichts Ungewöhnliches, aber als Falcón die dritte Schublade aufzog, rutschte ein schwerer Gegenstand von hinten gegen den Papierstapel. Eine Pistole.
    »Von denen habe ich noch nicht viele gesehen«, sagte Falcón. »Das ist ein 9-mm Heckler & Koch. Wenn man eine von denen besitzt, ist man auf Ärger gefasst.«
    »Wenn Sie eine von denen hätten«, sagte Calderón,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher