Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition)

Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition)

Titel: Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition)
Autoren: Robert Wilson
Vom Netzwerk:
identifizieren.«
    In der Tür tauchte Pérez auf.
    »Der Médico Forense hat den Zettel in Señor Vegas Hand gesichert«, sagte er.
    An den Männern der Spurensicherung vorbei, die mit ihren Koffern im Flur standen und darauf warteten, den Tatort betreten zu dürfen, drängten Falcón und Vázquez in die Küche.
    Der Zettel befand sich bereits in einer Plastiktüte der Spurensicherung. Calderón reichte sie mit hochgezogenen Brauen weiter. Falcón und Vázquez runzelten die Stirn, als sie die Botschaft lasen, und das nicht nur, weil sie auf Englisch verfasst war.
    »…in der dünnen Luft sein, die ihr atmet, vom 11. September bis zum Ende…«

ZWEI
    S agen Ihnen diese Worte irgendetwas?«, fragte Calderón.
    »Rein gar nichts«, antwortetet Vázquez.
    »Kommt Ihnen die Handschrift bekannt vor?«
    »Es ist auf jeden Fall Señor Vegas Handschrift… mehr kann ich nicht sagen.«
    »Unterscheidet sie sich in irgendeiner Form von seiner üblichen Handschrift?«
    »Ich bin kein Fachmann, Juez«, erwiderte Vázquez. »Es scheint jedenfalls nicht mit zitternder Hand geschrieben, wirkt aber auch nicht direkt flüssig. Eher sorgfältig als hingekritzelt.«
    »Ich würde es jedenfalls nicht als Abschiedsbrief bezeichnen«, sagte Falcón.
    »Wie würden Sie es denn bezeichnen, Inspector Jefe?«, frage Vázquez.
    »Als ein Rätsel. Etwas, das danach verlangt, untersucht zu werden.«
    »Interessant«, meinte Calderón.
    »Finden Sie?«, sagte Vázquez. »Man hat immer den Eindruck, Ermittlungsarbeit wäre ungeheuer aufregend. Aber das…?«
    »Wenn Sie ein Mörder wären, würden Sie normalerweise nicht wollen, dass Ihre Arbeit untersucht wird«, sagte Falcón. »Sie würden hoffen, ungeschoren davonzukommen. Sie haben eben selbst gesagt, dass der Tatort Ihrer Meinung nach auf einen Selbstmord hindeutet. Ein Mörder mit einem Motiv würde doch versuchen, diese Sichtweise mit einem eindeutigen Abschiedsbrief zu untermauern, anstatt eine Botschaft zu hinterlassen, die den Ermittlern Rätsel aufgibt.«
    »Es sei denn, es war ein Verrückter«, sagte Vázquez. »Einer dieser Serienmörder, der die Polizei herausfordern will.«
    »Aber ein Halbsatz auf einem Zettel in Señor Vegas Hand ist wohl kaum der Kommunikationsversuch eines Psychopathen. Dafür ist er zu undurchsichtig. Außerdem weist der Tatort keine der Spuren auf, die wir gemeinhin mit einem psychopathischen Mörder verbinden. Dieser Typ denkt üblicherweise darüber nach, wie die Leichen drapiert werden sollen, und bringt Elemente seiner Obsession ins Bild. Er zeigt, dass er am Tatort gewesen und die Tat das Werk eines komplizierten Verstandes ist. Die Inszenierung eines Serienmörders hat nichts Beiläufiges. Eine Flasche Abflussreiniger wird nicht dort liegen gelassen, wo sie hingefallen ist. Alles hat Bedeutung.«
    »Und welcher normale Mensch würde einen Mann und seine Frau umbringen und dann wollen , dass das Verbrechen aufgeklärt wird?«, fragte Vázquez.
    »Ein Mörder, der einen guten Grund hatte, Señor Vega zu hassen, und wollte, dass er als der Mann entlarvt wird, der er in Wahrheit war«, antwortete Falcón. »Eine Mordermittlung geht immer sehr weit. Um ein Motiv zu entdecken, müssen wir nicht nur die Leiche, sondern auch das Leben des Opfers obduzieren. Wir müssen uns alles ansehen – das Geschäftliche, das Gesellschaftliche, das Öffentliche und das Private, und zwar so genau wie möglich. Vielleicht hat Señor Vega selbst…«
    »Aber Sie können doch nie in den Kopf eines anderen Menschen schauen, oder, Inspector Jefe?«, wandte Vázquez ein.
    »Die andere Möglichkeit ist, dass Señor Vega selbst uns etwas mitteilen wollte. Indem er diese Nachricht in der geballten Faust hielt, wollte er uns vielleicht auffordern, das Verbrechen aufzuklären.«
    »Wenn mich mein Beruf eines gelehrt hat«, setzte Vázquez den unterbrochenen Gedanken fort, »dann, dass jeder Mensch drei Stimmen hat: die öffentliche, mit der er sich an die Welt richtet, die private, die er für Familie und Freunde vorbehält, und die am meisten beunruhigende – die Stimme in seinem Kopf, mit der er zu sich selbst spricht. Erfolgreiche Menschen wie Señor Vega haben sehr starke innere Stimmen, die sie nie einem anderen Menschen offenbaren, weder ihren Eltern, noch ihrer Frau noch ihren erstgeborenen Kindern.«
    »Darum geht es nicht«, sagte Falcón.
    »Es geht darum, dass wir Einsichten gewinnen«, ging Calderón dazwischen. »Die Handlungen eines Menschen, sein Verhalten
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher