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Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition)

Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition)

Titel: Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition)
Autoren: Robert Wilson
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gegenüber verschiedenen Leuten, all das sagt uns etwas über ihn.«
    »Meiner Erfahrung nach sagt ein Mensch Ihnen nur, was Sie seinem Willen nach von ihm denken sollen«, erwiderte Vázquez. »Ich zeige Ihnen etwas von Señor Vega, und Sie verraten mir Ihre Einsichten. Dürfen wir den Küchenfußboden schon betreten?«
    Felipe und Jorge wurden hinzugerufen und räumten einen Korridor durch die Küche. Falcón gab Vázquez ein Paar Plastikhandschuhe. Sie durchquerten die Küche und betraten durch eine Tür am anderen Ende einen Raum, an dessen Wänden drei riesige, vom Boden bis zur Decke reichende Gefrierschränke aus Edelstahl standen. An der freien Wand hing eine beeindruckende Sammlung von Messern, Hackbeilen und Sägen. Die weißen Bodenfliesen waren blitzsauber und rochen leicht nach Putzmittel und Kiefernnadelaroma. In der Mitte des Raumes stand ein Holztisch mit einer dreißig Zentimeter dicken Platte, dessen gebleichte Oberfläche von einer Kreuzschraffur aus Schnitten und Kerben überzogen war und der eine Vertiefung in der Mitte besaß, an deren Rändern sich vom steten Gebrauch ein dunkler Film gebildet hatte. Der Anblick jagte Falcón einen Schauer über den Rücken.
    »Und hier bewahrt er seine Leichen auf, Señor Vázquez?«, fragte Calderón.
    »Sehen Sie in die Gefrierschränke«, sagte der Anwalt. »Die sind voller Leichen.«
    Calderón öffnete eine der Türen. Dahinter hing eine komplette Rinderhälfte ohne Hufe. Wo es nicht von einer dicken gelben Fettschicht bedeckt war, war das sichtbare Fleisch dunkelrot, stellenweise sogar schwarz. Die Gefrierschränke an den gegenüberliegenden Wänden enthielten mehrere Lämmer und ein Schwein. Letzteres war enthauptet worden, der Kopf hing an einem Haken, die Ohren steif und die Augen mit ihren langen weißen Lidern wie in friedlichem Schlaf geschlossen. Des Weiteren gab es Tiefkühlfächer mit abgepackten Fleischstücken, in Körben oder einfach lose in den dunklen frostigen Tiefen.
    »Was halten Sie davon?«, fragte Vázquez.
    »Vegetarier war er jedenfalls nicht«, meinte Calderón.
    »Er hat gern selbst geschlachtet«, sagte Falcón. »Woher hat er das Fleisch?«
    »Von speziellen Bauernhöfen in der Sierra de Aracena«, sagte Vázquez. »Er war der Meinung, dass es in Sevilla keinen einzigen Metzger gibt, der richtig mit Fleisch umzugehen weiß, sowohl was das Abhängen als auch was das Schlachten betrifft.«
    »Heißt das, er war früher Metzger?«, fragte Falcón. »Wissen Sie, wann und wo?«
    »Ich weiß nur, dass sein Vater Metzger war, bevor er getötet wurde.«
    »Bevor er getötet wurde? Was soll das heißen? Wurde er ermordet oder…«
    »Das war der Ausdruck, mit dem er den Tod seiner Eltern beschrieb. ›Sie wurden getötet.‹ Er hat das nie weiter erklärt, und ich habe nicht weiter danach gefragt.«
    »Wie alt war Señor Vega?«
    »Achtundfünfzig.«
    »Das heißt, er ist 1944 geboren… fünf Jahre nach Ende des Bürgerkriegs. Im Krieg sind sie also nicht gestorben«, stellte Falcón fest. »Sie wissen nicht, wann sie getötet wurden?«
    »Ist das von Bedeutung, Inspector Jefe?«, fragte Vázquez.
    »Wir setzen ein Bild vom Leben des Opfers zusammen. Es hätte signifikante Auswirkungen auf den mentalen Zustand von Señor Vega gehabt, wenn sie etwa bei einem Autounfall ums Leben gekommen wären, als er noch ein kleiner Junge war. Wenn sie ermordet worden sind, wäre das wieder etwas völlig anderes. Das würde unbeantwortete Fragen aufwerfen, und hätte, vor allem wenn der Mord nicht gesühnt wurde, eine Entschlossenheit bei Señor Vega hervorrufen können, wenn schon nicht die Gründe für ihren Tod zu erfahren, was möglicherweise außerhalb seiner Macht lag, so doch zumindest sich selbst etwas zu beweisen. Herauszufinden, wer er in dieser Welt war.«
    »Mein Gott, Inspector Jefe«, sagte Vázquez, »vielleicht hat Ihre persönliche Erfahrung Sie in diesem Punkt so eloquent gemacht, aber mit dieser Art von Informationen kann ich Ihnen wirklich nicht dienen. Ich bin sicher, es gibt Unterlagen…«
    »Seit wann kannten Sie Ihn?«, fragte Calderón.
    »Seit 1983.«
    »Haben Sie ihn hier in Sevilla kennen gelernt?«
    »Er wollte ein Grundstück kaufen. Es war sein erstes Projekt.«
    »Und was hatte er vorher gemacht?«, fragte Falcón. »Mit Schlachterei kann man sich nicht viel Land kaufen.«
    »Ich habe ihn nicht gefragt. Er war mein erster Mandant. Ich war achtundzwanzig Jahre alt. Ich wollte nichts tun oder sagen, was mich das Mandat
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