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Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition)

Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition)

Titel: Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition)
Autoren: Robert Wilson
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»würden Sie einen Liter Abflussreiniger trinken oder sich damit das Gehirn rauspusten?«
    In der Tür war der Anwalt aufgetaucht und sah sie mit seinen dunkelbraunen Augen grimmig an.
    »Sie haben kein Recht…«, begann er.
    »Dies ist eine Mordermittlung, Señor Vázquez«, unterbrach ihn Falcón. »Señora Vega liegt oben auf dem Bett; sie ist mit einem Kissen erstickt worden. Haben Sie eine Ahnung, warum Ihr Mandant die hier in seinem Arbeitszimmer aufbewahrt hat?«
    Vázquez betrachtete die Waffe unsicher.
    »Sevilla ist eine jener seltsamen Städte, in denen die wohlhabenden und privilegierten Bewohner von Santa Clara nur durch ein kleines Viertel, die Papierfabrik und die Calle de Tesalónica von den drogensüchtigen Unterprivilegierten von Poligno San Pablo getrennt leben. Ich nehme an, er besaß sie zu seinem Schutz.«
    »Wie die Überwachungskameras, die er dann doch nicht eingeschaltet hat?«, fragte Falcón.
    Vázquez betrachtete die lahm gelegten Aufnahmegeräte. Sein Handy dudelte die ersten Takte von Carmen. Die Juristen grinsten sich an. Vázquez ging den Flur hinunter. Calderón schloss die Tür, und Falcón wusste, was er schon vermutet hatte, als er heute Morgen die Hand des Juez schüttelte: Es gab Neuigkeiten, und sie waren von Belang für ihn.
    »Ich wollte, dass Sie es von mir erfahren«, sagte Calderón, »und nicht aus der Gerüchteküche von Präsidium und Gerichtsgebäude.«
    Falcón nickte wortlos, weil es ihm die Sprache verschlagen hatte.
    »Inés und ich werden Ende des Sommers heiraten«, sagte Calderón.
    Er hatte gewusst, dass das kommen würde, aber die Neuigkeit ließ ihn trotzdem erstarren. Es kam ihm vor, als vergingen Minuten, bevor er die Füße wieder bewegen konnte, um Calderón die Hand zu schütteln. Er überlegte sogar, ob er die Schulter des Staatsanwalts kameradschaftlich drücken sollte, doch die Bitterkeit der Enttäuschung lag auf seiner Zunge wie der Geschmack einer verdorbenen Olive.
    »Meinen Glückwunsch, Esteban«, sagte er.
    »Wir haben es gestern Abend unseren Familien gesagt«, sagte Calderón. »Sie sind der erste Außenstehende, der davon erfährt.«
    »Sie werden sich gegenseitig sehr glücklich machen«, sagte Falcón. »Bestimmt.«
    Sie nickten sich zu und lösten sich voneinander.
    »Ich sehe mal, wie weit der Médico Forense ist«, sagte der Staatsanwalt und verließ das Zimmer.
    Falcón trat ans Fenster, zog sein Handy aus der Tasche und rief aus dem Adressbuch die Nummer von Alicia Aguado auf, der Psychoanalytikerin, die er seit über einem Jahr konsultierte. Sein Daumen strich über die Call-Taste, doch aufflammender Zorn verhinderte, dass er sie drückte. Das konnte auch bis zu ihrem regulärem Termin morgen Abend warten. Sie hatten zig Mal über seine Exfrau Inés gesprochen, und Alicia würde ihn bloß wieder tadeln, dass er noch nicht weitergekommen war.
    Javier und Inés hatten ihre Meinungsverschiedenheiten geklärt. Es war Teil des Heilungsprozesses gewesen, den Falcón nach dem Skandal um Francisco Falcón vor fünf Monaten durchgemacht hatte. Francisco war der weltberühmte Künstler, den Javier immer für seinen Vater gehalten hatte, der jedoch in Wahrheit ein Betrüger, ein Mörder und nicht sein leiblicher Vater gewesen war. Inés hatte Javier schon vor dem Treffen, das sie einige Monate nach Abflauen der Medienhysterie vereinbart hatten, vergeben. Seine Kälte, die sie in dem grausamen gereimten Mantra Tú no tienes corazón, Javier Falcón – Du hast kein Herz, Javier Falcón – eingefangen hatte, war es gewesen, die ihre kurze Ehe beendet hatte. In den hinter ihm liegenden Monaten der Therapie waren die Gedanken an Inés nach und nach in den Hintergrund getreten, doch bei jeder Erwähnung ihres Namens schlug sein Herz schneller. Ihre furchtbare Anklage quälte ihn immer noch, und immer noch wollte er sich ihr gegenüber beweisen.
    Und jetzt das. Inés war seit eineinhalb Jahren mit dem Staatsanwalt zusammen. Sie waren das neue Traumpaar nicht nur der juristischen Zunft, sondern der ganzen feinen Gesellschaft von Sevilla. Ihre Hochzeit war unvermeidlich gewesen, was die Neuigkeit jedoch auch nicht leichter zu ertragen machte.
    Im Spiegel des Fensters sah Falcón, dass Vázquez hinter ihm aufgetaucht war, also riss er sich zusammen.
    »Wie sehr überrascht es Sie, Ihren Mandanten unter derart ungewöhnlichen Umständen tot vorzufinden, Señor Vázquez?«, fragte er.
    »Sehr«, antwortete er.
    »Wo ist übrigens der Waffenschein für
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