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Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition)

Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition)

Titel: Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition)
Autoren: Robert Wilson
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Sie tippte den Zahlenkode in das Ziffernfeld neben dem Außentor und trat auf die Einfahrt. Mario rannte zum Haus, drückte gegen die Haustür und stieß sich den Kopf an dem Holzrahmen. Consuelo klingelte, und der elektrische Glockenton hallte in der Stille hinter den Doppelfenstern des Hauses nach wie in einer Kathedrale. Niemand rührte sich. Schweißtropfen sickerten zwischen ihre Brüste. Mario hämmerte mit seiner kleinen Faust gegen die Tür; es klang wie ein dumpfer Schmerz, hartnäckig wie untröstliche Trauer.
    Es war kurz nach acht Uhr morgens. Sie leckte den Schweiß ab, der sich auf ihrer Oberlippe gebildet hatte.
    Am Tor war mittlerweile das Hausmädchen aufgetaucht. Sie hatte keinen Schlüssel. Um diese Uhrzeit sei Señora Vega für gewöhnlich schon wach, sagte sie. Im Garten neben dem Haus hörten sie den ukrainischen Gärtner Sergej. Sie gingen zu ihm hin, und überrascht hielt er seine Hacke wie eine Waffe, als er die beiden Frauen erblickte. Er trug Shorts, und Schweiß strömte an seinem muskulösen nackten Oberkörper herab. Er hatte seit sechs Uhr in der Früh gearbeitet und nichts gehört. Soweit er wusste, stand der Wagen noch in der Garage.
    Consuelo ließ Mario in der Obhut des Hausmädchens und ging mit Sergej zur Rückseite des Hauses. Er stieg auf die Veranda vor dem Wohnzimmer und spähte durch die Jalousien der Schiebetür. Die war verschlossen. Also kletterte er über das Geländer und beugte sich vor, um ins Küchenfenster zu blicken, das zum Garten hinausging. Sein Kopf zuckte entsetzt zurück.
    »Was ist los?«, fragte Consuelo.
    »Ich weiß nicht«, sagte er. »Señor Vega liegt auf dem Boden. Er bewegt sich nicht.«
    Consuelo nahm das Hausmädchen und Mario mit in ihr Haus. Der Junge spürte, dass irgendetwas nicht stimmte, und fing an zu weinen. Das Hausmädchen versuchte vergeblich, ihn zu trösten, und zappelnd wand er sich aus ihrer Umarmung. Consuelo wählte die Nummer des Notrufs, zündete sich eine Zigarette an und versuchte, sich zu konzentrieren, während sie das hilflose Hausmädchen beobachtete: Die Frau stand über den Kleinen gebeugt, der sich in einem Wutanfall tretend und heulend wie ein wildes Tier auf den Boden geworfen hatte und sich nun langsam zur Ruhe schluchzte. Consuelo berichtete, was sie gesehen hatte, und nannte Namen, Adresse und Telefonnummer, bevor sie den Hörer auf die Gabel knallte, zu dem Kind ging, es ungeachtet der Tritte und Schläge fest an sich drückte und immer wieder seinen Namen flüsterte, bis es reglos in ihren Schoß sank.
    Sie legte den Jungen in ihr Bett, zog sich an und rief das Hausmädchen nach oben, damit es ein Auge auf Mario hatte. Er war eingeschlafen. Consuelo betrachtete ihn eingehend, während sie sich kämmte. Das Hausmädchen saß auf einer Ecke des Bettes, unglücklich, nun Teil einer fremden Tragödie geworden zu sein, die auch ihr eigenes Leben beeinträchtigen würde.
    Vor dem Haus der Vegas fuhr ein Streifenwagen vor. Consuelo ging hinaus, um den Polizisten zu begrüßen, und führte ihn zur Rückseite des Hauses, wo er auf die Veranda kletterte. Er fragte sie, wo der Gärtner war, und sie ging über den Rasen zu einem kleinen Gebäude am Fuße des Hangs, wo Sergej sein Quartier hatte. Vergeblich. Der Polizist pochte derweil an das Küchenfenster und gab per Funk einen kurzen Lagebericht ans Präsidium, bevor er wieder von der Veranda stieg.
    »Wissen Sie, wo Señora Vega ist?«, fragte er.
    »Sie müsste im Haus sein. Da war sie jedenfalls gestern Abend, als ich sie angerufen habe, um ihr zu sagen, dass ihr Sohn bei meinen Jungen übernachten würde«, sagte Consuelo. »Warum haben Sie ans Fenster geklopft?«
    »Es hat keinen Sinn, die Tür einzutreten, wenn er bloß betrunken auf dem Fußboden eingeschlafen ist.«
    »Betrunken?«
    »Neben ihm liegt eine Flasche auf dem Boden.«
    »Ich kenne ihn seit Jahren, und ich habe nie erlebt, dass er die Kontrolle verliert… nie.«
    »Vielleicht ist es anders, wenn er allein ist.«
    »Und was haben Sie sonst noch unternommen?«, fragte Consuelo und versuchte angesichts der Gelassenheit des einheimischen Polizisten, die schrille Reizbarkeit der Madrilenin in ihrer Stimme zu unterdrücken.
    »Sobald Sie uns angerufen haben, wurde ein Krankenwagen auf den Weg geschickt, und jetzt ist der Inspector Jefe del Grupo de Homicidios, der Chefinspektor der Mordkommission, benachrichtigt worden.«
    »Im einen Moment ist er nur betrunken, im nächsten schon ermordet?«
    »Auf dem
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