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Die Toten Vom Karst

Die Toten Vom Karst

Titel: Die Toten Vom Karst
Autoren: Veit Heinichen
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ihnen ins Schloß gedrückt wurde, »aber dieser Gestank von Katzenpisse war nicht mehr auszuhalten. Der hält die Faschisten für gute Kerle, die Jugendsünden begehen. Vielleicht ist er selbst einer.«
    Im Hinuntergehen fiel Laurenti wieder auf, daß auch die anderen Etagen jeweils nur eine Tür hatten. Schwachsinnige Architektur, und im ganzen Haus ein übler Geruch. Laurenti hielt die Luft an, bis er draußen war.
    »Ich fahre Richtung Universität. Der andere Zeuge wohnt in der Via Fabio Severo. Kommst du mit?« fragte Sgubin.
    Laurenti schüttelte den Kopf. Er war alles andere als in Form. »Besser nicht. Und vergiß nicht, es ist Sonntag. Arbeite nicht den ganzen Nachmittag!«
    Sgubin war erleichtert. Es war nicht gerade angenehm, einen mißmutigen Chef neben sich zu haben. Was mochte ihm über die Leber gelaufen sein?
    Sie verabschiedeten sich, und Laurenti ging Richtung Via Carducci. Der Weg nach Hause. Aber was sollte er da? Und was sollte er woanders, fragte er sich. Hatte Laura angerufen? Oder würde sie anrufen? Sollte er mit seiner Schwiegermutter sprechen? Vielleicht hätte die alte Signora Tauris die Macht, ihre Tochter zur Vernunft zu bringen. Die alte Dame verfügte noch immer über einen sehr klaren, pragmatischen Verstand und hielt nichts von solchen Mätzchen in der Ehe. Man konnte sich jedenfalls kaum vorstellen, daß ihr Mann sie je betrogen hatte, und umgekehrt schon gar nicht.
    Laurenti merkte, daß er mit sich selbst sprach. Wenigstens war niemand auf der Straße, der ihn hören konnte. Eine eisige Böe schlug ihm hart ins Gesicht. Er vergrub die Hände tief in den Jackentaschen. Ich selber, dachte er, werde mich in keine andere Frau mehr verlieben können.
     
    *
    Auf dem Karst bei Contovello tobte die Bora nera noch heftiger und erreichte Spitzen von hundertsiebzig. Das kleine Dorf, hoch oben über der Stadt, schien wie ausgestorben. Der Schnee lag knöchelhoch und in den engen Gäßchen hing trotz der Böen der Geruch der Holzfeuer, die in den Kaminen loderten. Die kleinen Häuser waren so eng aneinandergepreßt, als suchten sie Schutz vor einem gemeinsamen Feind, und manche Ziegeldächer waren zur Sicherheit mit schweren Steinen beschwert. Eine vermummte Gestalt kämpfte sich gegen den Wind die kleine Straße am Friedhof vorbei, der neben den alten Burgfundamenten lag. Sie wollte ins Dorf. Im Schutz eines Torbogens zündete sie sich eine Zigarette an, dann ging sie mit stapfendem Schritt weiter. Weiter unten, auf dem Platz vor der Kirche, hielt sie einen Augenblick inne und beobachtete eines der neueren Häuser des Dorfes, das etwas unterhalb direkt über dem Abhang stand. Bevor es erbaut wurde, hatte man vom Kirchplatz noch freie Aussicht auf den Golf von Triest. Nichts regte sich. Sie schaute sich um, zog noch einmal an der Zigarette, warf die Kippe in den Schnee und stieg dann die Treppe hinab. Sie zog einen schweren, in dickes, braunes Packpapier gehüllten Gegenstand aus einer Plastiktüte und schob ihn rasch durch das Katzenloch in der Haustür, das mit einer Kokosmatte verhängt war. Dann richtete sie sich schnell wieder auf, zog die schwere Jacke am Hals zusammen und nahm eilenden Schrittes und mit hochgezogenen Schultern den Weg um die Kirche herum, der zur Strada del Friuli führte. Es war kurz vor sechzehn Uhr und wegen des Sturms schon fast dunkel. Die vermummte Gestalt verließ die Straße nach Triest nach der Haarnadelkurve und nahm einen der alten Fischerpfade zum Meer hinunter, der sich zwischen den brachliegenden, terrassierten Feldern schlängelte. Es war alles andere als leicht. Die wild wuchernde Vegetation hatte schnell das Terrain zurückerobert, als die Bauern vor Jahren die Bewirtschaftung der Terrassen aufgaben. Brombeergestrüpp, Wildkirschen und die wuchernden Glyzinien mit ihren zähen Fangarmen versperrten immer wieder den rutschigen alten Pfad. Erst nach einer halben Stunde kam die vermutlich einzige Person, die an diesem Tag draußen mehr als die nötigsten Schritte gemacht hatte, wieder zurück auf die Uferstraße und wischte den Schnee von den Scheiben des Wagens, der nahe der Abzweigung zum Castello Miramare geparkt war. Kein anderes Auto war auf der Straße zu sehen, kein Mensch konnte sie gesehen haben. Das war sicher. Sie zog die Mütze vom Kopf, knöpfte die Jacke auf und stieg ein.
     
    *
    Proteo Laurenti verbrachte den Nachmittag vor dem Fernseher und schaltete wahllos zwischen den Kanälen hin und her. Alles erinnerte ihn an Laura. Mal war es eine
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