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Die Tote von Schoenbrunn

Die Tote von Schoenbrunn

Titel: Die Tote von Schoenbrunn
Autoren: Edith Kneifl
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einen Mörder à la Jack the Ripper lenken?“
    „Sie halten mich tatsächlich für Jack the Ripper?“ Der Erzherzog brach in irres Gelächter aus.
    Gustav und Graf Batheny tauschten bestürzte Blicke.
    „Ich vermute, dass sein Hass auf Frauen durch die Infizierung mit einer venerischen Krankheit verstärkt worden ist“, sagte Gustav leise zu seinem Vater, ohne den unerfreulichen Abend mit dem Erzherzog in dem Stundenhotel zu erwähnen.
    „Er gehört in eine geschlossene Anstalt.“ Graf Batheny tippte sich mit dem Zeigefinger auf die Stirn.
    „Du bist der Einzige, der dafür sorgen könnte, dass er auch dorthin kommt. Rudi wird ihn spätestens morgen wieder gehen lassen müssen.“
    „Psst“, unterbrach ihn der Graf.
    Rudi fragte den Erzherzog soeben, warum er die alte Obdachlose in den Hofstallungen erschlagen habe.
    „Ich weiß nicht, wovon Sie reden. Aber bestimmt wird diesem Weib niemand nachtrauern. Wir haben mehr als genug Plageweiber in Wien.“
    „Er ist komplett verrückt“, sagte Graf Batheny.
    „Das ist keine Entschuldigung.“
    „Selbstverständlich nicht!“
    „Hast du etwa Mitleid mit ihm? Ihm gebührt der Tod durch den Strang und nichts anderes.“ Gustav sah seinen Vater wütend an.
    „Beruhig dich, Gustav, ich bin ja ganz deiner Meinung.“
    Durch den Türspalt beobachteten Vater und Sohn, wie Rudi dem Erzherzog die neuen Handschellen mit dem modernen Schlossmechanismus anlegte. Dann befahl er seinem Assistenten, einen Mann von der Sicherheitswache zu holen, der Karl Konstantin in eine Zelle bringen würde.
    Gustav und Graf Batheny verließen die Polizeidirektion, bevor der Erzherzog abgeführt wurde. Sie wollten ihm nicht begegnen.
    Gustav begleitete seinen schwer erschütterten Vater in sein Palais in der Herrengasse und ließ sich dann im Wagen des Grafen nach Hause bringen. Dort wartete der Kutscher auf Marie Luise, die bei Dorothea und Vera weilte.

40
    Die Damen tranken Tee in Gustavs Zimmer und wirkten relativ gefasst, als er eintrat.
    Marie Luise war zwar entsetzt und schockiert gewesen, als ihr Dorothea beibrachte, dass ihr Verlobter der mutmaßliche Frauenmörder von Schönbrunn war, hatte aber keinen hysterischen Anfall bekommen, auch nicht, als ihr Dorothea von dem Überfall auf der Gloriette erzählte und ihre zerschnittenen Handflächen herzeigte.
    Gustav bat Dorothea, bevor er ihnen das Verhör schildern wollte, ihn in die Küche zu begleiten. Er ersuchte Josefa, ihnen ein kleines Abendessen zuzubereiten.
    „Jessasmarandjosef, wir haben fast nichts daheim“, jammerte Josefa.
    „Ein paar Eier wirst du wohl haben. Mach uns einfach eine Eierspeis“, schlug Dorothea vor.
    „Mir wäre eine kräftige Rindsbrühe mit Fritatten oder eine Marmeladepalatschinke lieber. Ich fürchte, ich werde krank“, sagte Gustav.
    „Du Armer.“ Dorotheas Worte klangen in seinen Ohren verdächtig nach Spott.
    „Erzähl mir rasch, was bei dem Verhör herausgekommen ist“, bat sie ihn.
    Gustav berichtete ihr das Wichtigste.
    Ausnahmsweise waren beide einer Meinung: Seine Halbschwester konnte heilfroh sein, diese Bestie nicht geheiratet zu haben.
    Als sie in Gustavs Zimmer zurückkehrten, bekamen sie gerade noch den Schluss von Marie Luises Hasstiraden mit. Sie schien keinerlei Mitleid mit ihrem Verlobten zu haben, bestand darauf, dass er zur Rechenschaft gezogen würde. Drohte, einen Skandal zu machen, allen Zeitungen Bescheid zu geben, sollte der Hof seine Schandtaten vertuschen. Vera bemühte sich vergeblich, sie zu beruhigen. Marie Luise war sich nun sicher, dass es Karl Konstantin war, der sie damals auf der Bank im Schlosspark zu erwürgen versucht hatte.
    „Ich verdanke dem Frantischek mein Leben“, stöhnte sie, „und dafür sitzt er jetzt im Gefängnis. Niemals werde ich mir verzeihen, ihn verdächtigt zu haben …“
    „Ich kann dich beruhigen, liebe Marie Luise. Dein Vater hat bereits dafür gesorgt, dass der Gärtner wieder auf freien Fuß gesetzt wurde. Und dieser verkrüppelte Zoowärter Zoran ist auch schon längst wieder in Freiheit.“
    „Gott sei Dank“, seufzte Marie Luise und hörte dann Dorothea mit roten Ohren zu, als diese versuchte, sich über Karl Konstantins Motiv für die grauenhaften Morde klarzuwerden.
    „Einerseits bewunderte er die Eigenwilligkeit und die Exzentrik Ihrer Majestät, andererseits jagten ihm Frauen mit genau diesen Eigenschaften fürchterliche Angst ein. Frauen wie Kaiserin Elisabeth waren für ihn unberechenbar, unkontrollierbar, allein
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