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Die Tote von San Miguel

Die Tote von San Miguel

Titel: Die Tote von San Miguel
Autoren: Jonathan Woods
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Armando verschwunden war, trat Diaz vor das Fenster zum Verhörzimmer, dessen Scheibe von innen verspiegelt war, und sah eine Weile zu, wie Ortiz Gregori Gregorowitsch auf der anderen Seite durch die Mangel drehte. Die Ergebnisse seiner Bemühungen waren genauso fruchtlos wie die Resultate, die Diaz zuvor mit seinen zivilisierteren Verhörmethoden erzielt hatte.
    »Ich weiß nichts über Fran Kovacs’ Tod«, wiederholte Gregorowitsch beharrlich. »Nichts! Nada! « Er schloss die Augen, als Ortiz plötzlich aufsprang, sich weit über den Tisch beugte und die nächste Frage brüllte.
    Diaz verließ das Revier, ging die Stufen hinunter, wandte sich nach links, bog an der nächsten Kreuzung nach rechts ab, dann wieder halblinks und folgte schließlich der Straße bergaufwärts, vorbei an der Stierkampfarena. Es war die Zeit des Abends, zu der sowohl die gringos als auch die mejicanos ihre Cocktails zu trinken pflegten. Er hätte gern in der einen oder anderen Bar Halt gemacht, aber stattdessen marschierte er unbeirrt weiter.
    Eine Viertelstunde später erreichte er die Sackgasse, an deren Ende Dillingers Haus stand. Trotz der Schachtel Zigaretten,die er täglich rauchte, hatte sich sein Atem nicht beschleunigt.
    Das Buntglasoberlicht über der Tür tauchte den Eingangsbereich in warme rote, blaue und gelbe Farbtöne. Eine Indianerin öffnete ihm die Tür. Ihre Augen waren so schwarz, hart und schmal wie zwei Apfelkerne.
    Diaz ließ sie in der Tür stehen, durchquerte den Flur und betrat das große Arbeitszimmer, in dem Licht und Schatten ein Fleckenmuster bildeten. Es schien niemand da zu sein. Der Holzfußboden quietschte und knarrte wie ein Heer von Grillen unter seinen Füßen. Billiger neumodischer Schrott , dachte er.
    Die alte Schreibmaschine, an die er sich von seinem ersten Besuch her erinnerte und die so aussah, als hätte sie früher einmal Ernest Hemingway gehört, stand immer noch an ihrem alten Platz in einem der Glasschränke. Sie trug den gleichen Markennamen wie die von Gregorowitsch. ROYAL. Die Schranktür war verschlossen, ihre Glasscheibe zitterte, als Diaz am Türgriff rüttelte.
    »Überlegst du dir jetzt, ob du die Scheibe einschlagen sollst, cabrón ? Nichts, was da drin steht, bringt mehr Geld ein, als ein Essen für zwei Personen in einem halbwegs anständigen Restaurant kostet.«
    Dillinger, dessen Spiegelbild in der Glasscheibe sichtbar wurde, nachdem sie zu zittern aufgehört hatte, zog die Doppelflügeltür hinter sich mit einer Hand zu und schloss sie ab. In der anderen Hand hielt er lässig einen verchromten Revolver Kaliber .38. Diaz drehte sich langsam herum, die Arme leicht vom Körper abgespreizt, die Handflächen nach vorn gedreht.
    »Na, wenn das mal nicht Inspector Diaz ist!« Dillinger lachte. »Was für eine Überraschung! Sollte das ein Einbruchwerden? Oder sind Sie nur vorbeigekommen, um noch einmal ein bisschen zu plaudern?«
    Er schob sich an Diaz heran und drückte ihm den Revolverlauf gegen die Schläfe. Dann tastete er ihn mit der freien Hand ab, unter den Achseln und um die Hüfte herum, ließ seine Finger auf der Innenseite des einen Beins hinauf und auf der anderen Seite wieder hinabgleiten, von einem Fußgelenk zum Schwanz hinauf und dann wieder von den Eiern zum anderen Fußgelenk hinab.
    Diaz war unbewaffnet. Er hätte Dillinger während der flüchtigen Leibesvisitation mit Leichtigkeit den Arm brechen, ihm die glänzende 38er entwenden und ihn dreimal zu Boden schlagen können, aber er wollte ein Geständnis von ihm hören.
    »Sie sehen völlig fertig aus, Hector. Ausgelaugt. Ich darf Sie doch Hector nennen, oder?« Ohne eine Antwort abzuwarten, fuhr Dillinger fort: »Leute in Ihrem Alter neigen dazu, einen Herzinfarkt zu bekommen, wenn sie sich zu sehr aufregen.«
    »Ich bin hier, um Sie zu verhaften«, sagte Diaz kühl.
    »Wofür?«
    »Für die Ermordung von Amanda Smallwood, Fran Kovacs und aller weiteren Opfer, die wir erst noch finden müssen.«
    »Und was könnte mich mit diesen Todesfällen in Verbindung bringen?«
    »Zum einen die Tatsache, dass Sie die Nachricht von Fran Kovacs’ Tod überhaupt nicht zu überraschen scheint, obwohl nur die Polizei und der Mörder selbst davon wissen können. Zum anderen, weil ich glaube, dass Gregorowitschs gefälschtes Tagebuch auf der Schreibmaschine in Ihrer Vitrine getippt worden ist. Entweder von Ihnen persönlichoder von jemandem aus Ihrem Umfeld. Vielleicht von der Frau, die ich bei meinem ersten Besuch kurz gesehen
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