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Die Tote von San Miguel

Die Tote von San Miguel

Titel: Die Tote von San Miguel
Autoren: Jonathan Woods
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befand und nur noch eingeschaltet werden musste.
    »Sie hatten also nicht vor, sie zu ermorden und ihr anschließend die Augen aus den Höhlen zu reißen?«, hakte Diaz nach.
    »Nein. Ich liebe Jane.«
    Irgendwie fühlte sich Diaz von Gregorowitschs schlichtemEingeständnis unangenehm, fast peinlich berührt. Er hielt ihm die beschriebenen Seiten entgegen. »Das liest sich in diesem Tagebuch aber ganz anders.«
    »Wovon reden Sie da? Ich habe noch nie in meinem Leben ein Tagebuch geführt.«
    »Wir haben die von Ihnen benutzte Schreibmaschine. Es ist also sinnlos, zu behaupten, Sie hätten das hier nicht geschrieben.« Diaz wedelte Gregorowitsch mit den Blättern, die señora Ryder in einer seiner Sporttaschen entdeckt hatte, unter der Nase herum, als wären es magische Utensilien, wie sie ein Schamane zum Austreiben von Dämonen benutzte.
    Das altbekannte Frage-und-Antwort-Spiel hätte noch endlos so weitergehen können, wäre nicht plötzlich von draußen lautes Triumphgeheul in das Verhörzimmer gedrungen. Was hat das jetzt schon wieder zu bedeuten? , dachte Diaz genervt. Er öffnete die Tür und schob den Kopf hindurch.
    Im Großraumbüro nebenan führte Queveda gerade eine Art Flamencotanz auf seinem Schreibtisch auf, die Arme hoch in die Luft gereckt. Die Absätze seiner Cowboystiefel trommelten in einem rasenden Tempo auf der Tischplatte herum. Ortiz, der neben ihm stand, feuerte ihn auch noch an, indem er aufmunternd in die Hände klatschte. Quevedo brach seinen Freudentanz abrupt ab, als Diaz den Raum betrat.
    »Ich habe ihn erwischt«, verkündete er mit gespielter Reue und stieg von seinem Tisch. »Der Typ hatte sogar tatsächlich einen goldenen Schneidezahn. Und wie wir bereits vermutet haben, hatte jemand aus den betroffenen Hotels die Hände mit im Spiel. Eine Cousine zweiten Grades von dem Kerl mit dem goldenen Schneidezahn. Sie hat als Nachtportier abwechselnd in allen Hotels gearbeitet undihrem Cousin verraten, wer von den Gästen teuren Schmuck dabeihatte. Ein lukrativer Nebenverdienst für sie.«
    Diaz legte ihm einen Arm um die Schultern und schlenderte mit ihm zum Wasserspender hinüber. »Gute Arbeit, Jorge«, sagte er gefährlich sanft. »Aber hat dich Ortiz nicht darauf hingewiesen, dass ich gerade nebenan einen psychopathischen Killer verhöre?«
    Quevedo versuchte, Ortiz einen Blick über die Schulter zuzuwerfen, aber Diaz’ mörderisch fester Griff hinderte ihn daran, den Kopf zu drehen. Außerdem hatte sich Ortiz ohnehin bereits unauffällig in die Toilette geschlichen, wo er sich in Sicherheit wähnte.
    »Und dann bin ich gestern erst knapp einem Mordanschlag entkommen, dem dritten innerhalb weniger Tage«, fügte Diaz hinzu.
    Jorge Quevedo verspürte ein plötzliches Stechen im Nacken, die Vorboten von Kopfschmerzen. Dann begann es, in seinem linken Ohr schmerzhaft zu pochen. Er wusste, dass ihm heftige Kopfschmerzen bevorstanden, ungefähr so schlimm wie damals, als ihn seine Frau in flagranti mit dem Zimmermädchen in der Vorratskammer erwischt hatte.
    »Ich wäre dir also sehr dankbar, wenn du mit deiner Siegesfeier warten könntest, bis ich diese Geschichte hinter mich gebracht habe«, fuhr Diaz fort.
    Das Summen seines Mobiltelefons unterbrach ihn. Es gab schlechte Neuigkeiten.

Kapitel 30
    Fran Kovacs dümpelte tot mit dem Gesicht nach unten in ihrem Swimmingpool. Der nasse Stoff ihres Kleides, der dicht unter der Wasseroberfläche schwebte, verdeckte ihr nacktes Hinterteil wie der letzte Vorhang, der am Ende einer griechischen Tragödie gefallen war. Offenbar hatte sie Unmengen von Blut verloren, denn das Wasser des Pools hatte sich zu einem hellen Rosa verfärbt.
    Diaz kauerte am Beckenrand, García stand direkt hinter ihm. Gerade näherte sich Ortiz mit einem feinmaschigen Netz, das an einer langen Aluminiumstange befestigt war. Er zog die Leiche mit der Stange näher zu sich heran und versuchte, sie auf den Rücken zu drehen, aber sie schaukelte nur träge hin und her.
    »Um Christi willen, zieh sie doch einfach raus!«, stöhnte Diaz. »García, hilf ihm!«
    Die beiden Polizisten ergriffen jeweils eine Hand der Toten, zogen sie aus dem Pool und ließen sie mit dem Rücken auf den Betonboden sinken, wobei der Stoff des Kleides über ihrer Hüfte aufriss. Ihre Augen fehlten, und in ihrer Kehle klaffte ein tiefer Schnitt von einem Ohr zum anderen. Ortiz stieß einen tonlosen Pfiff aus.
    Diaz verzog angewidert das Gesicht, was jedoch keine Reaktion auf Ortiz’ Pfiff, sondern
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