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Die Tote von Charlottenburg: Kriminalroman (German Edition)

Die Tote von Charlottenburg: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Tote von Charlottenburg: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Susanne Goga
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beeindruckt hat, solltest du die Einladung annehmen«, sagte er.
    Sie blieben vor einem auffallenden blau gestrichenen Gebäude stehen. Das reetgedeckte Haus mit dem tiefgezogenen Dach und den weißen Fenstern war von einem hübschen Bauerngarten umgeben. Es besaß keinen Zaun, sondern eine Umgrenzung aus großen Steinen, und als sie dort Halt machten, drehte sich eine Frau, die gerade im Garten arbeitete, zu ihnen um. Sie mochte Anfang sechzig sein, doch die frische Gesichtsfarbe und die Lachfältchen um die Augen verliehen ihr etwas Jugendliches.
    »Wir bewundern gerade Ihr blaues Haus«, sagte Leo.
    Die Frau lachte. »Es ist nicht zu übersehen, was? Kommen Sie doch herein. Vielleicht möchten Sie sich die Ausstellung ansehen.«
    »Eine Ausstellung?«
    Die Frau gab ihnen die Hand. »Henni Lehmann. Ich binMalerin und habe letztes Jahr einen Künstlerinnenbund gegründet. Hier in der Scheune präsentieren wir unsere Werke.«
    Sie führte sie zur Tür. In dem schlichten Raum waren Aquarelle und Zeichnungen ausgestellt. Leo schaute sich die Bilder an, während Clara sich mit Frau Lehmann unterhielt.
    Vor einem kleinen Aquarell blieb er stehen. Es zeigte die Scheune, in der sie gerade standen, unter einem zartblauen Himmel mit federleichten Wolken. Es war, als hätte jemand eben diesen Tag gemalt. Er drehte es vorsichtig um, konnte aber keinen Preis entdecken. Dann blickte er zu der Malerin und nickte mit dem Kopf zu Clara hinüber.
    Sie verstand ihn sofort. »Nebenan sind einige sehr hübsche Töpferarbeiten, falls Sie sich die ansehen möchten. Ich komme gleich nach.«
    Sowie Clara den Raum verlassen hatte, erkundigte er sich nach dem Preis. »Das ist wirklich hübsch«, sagte Henni Lehmann und nannte einen angemessenen Betrag. Leo bezahlte, ließ das Bild in Seidenpapier wickeln und schob es behutsam in die Innentasche seines Jacketts.
    Nachdem er und Clara sich verabschiedet hatten, gingen sie in ein Café und setzten sich auf die Terrasse. Dort zog Leo das Aquarell aus der Jacke.
    »Manchmal muss ich dir einfach etwas schenken. Und heute schenke ich dir diesen Tag.«

2
     
    BERLIN, MITTWOCH, 24.   OKTOBER 1923
    »Mein Freund entdeckte die leere Box im Stall erst am nächsten Morgen«, berichtete der elegant gekleidete Mann empört. »Sein bester Zuchthengst, für den er einen sagenhaften Preis gezahlt hatte   – einfach verschwunden!«
    Die Kollegen hörten ihm interessiert zu.
    »Er hat natürlich sofort die Suche eingeleitet. Der ganze Gutshof war auf den Beinen, auch viele Leute aus dem Dorf haben geholfen   – umsonst. Dann gab ihm jemand einen Tipp.«
    Kriminalsekretär Robert Walther schaute beiläufig zu Leo Wechsler, der mit verschränkten Armen an einem Aktenschrank lehnte und schwieg.
    »Man hatte das Tier heimlich auf einen Wagen verladen und nach Spandau gefahren, wo es in einer Metzgerei geschlachtet und zu Wurst und Sauerbraten verarbeitet worden war. Ein unbezahlbares Renn- und Zuchtpferd!«
    »Nun, so hat es wenigstens einen guten Zweck erfüllt«, sagte eine spöttische Stimme. »Vermutlich hat es den Menschen auf diese Weise mehr Freude bereitet, als wenn es auf einer Rennbahn im Kreis gelaufen wäre.« Leo schnipste sich ein Stäubchen vom Ärmel, nickte in die Runde und verließ den Raum. Robert sah sich achselzuckend um und folgte ihm auf den Flur des Morddezernats hinaus.
    »Du kannst es nicht lassen, was?«
    Leo ging ungerührt weiter und öffnete die Tür zum Vorzimmer, wo seine Sekretärin Fräulein Meinelt an der Schreibmaschine saß. »Ich habe nur gesagt, was ich denke.«
    »Von Malchow ist ja verflixt schnell wieder zu uns zurückgekommen«, meinte Robert und folgte ihm. Er und sein Kollege Berns arbeiteten im Raum nebenan, der mit Leos Büro durch eine Tür verbunden war.
    Leo setzte sich an den Schreibtisch und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. Draußen auf der Dircksenstraße ratterte die Stadtbahn vorbei. »Natürlich, der Herr soll eine zweite Chance erhalten, nachdem er meine Schwester bespitzelt und sich allgemein unmöglich benommen hat. Du weißt genau, ein x-beliebiger Beamter wäre nicht so bald aus der Inspektion D zurückgekehrt, den hätten sie viel länger schmoren lassen. Aber Herr von Malchow hat einflussreiche Freunde.«
    Als Robert plötzlich loslachte, sah Leo ihn fragend an.
    »Deine Bemerkung über das Pferd war schon gut.«
    »Ich wüsste nicht, weshalb ich einen Rennstallbesitzer bedauern sollte, während die Menschen aus Hunger auf die Straße
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