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Die Tote von Charlottenburg: Kriminalroman (German Edition)

Die Tote von Charlottenburg: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Tote von Charlottenburg: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Susanne Goga
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gehen. Die essen auch Hunde und Katzen, darauf gebe ich dir mein Wort.«
    »Ich weiß doch, dass du recht hast«, sagte Robert gutmütig. »Nur könnte man dich glatt für einen KP D-Sympathi santen halten, wenn man dich so reden hört. Selbst wenn die SPD das Sagen hat, wollen die noch lange keinen roten Kommissar. Vielleicht willst du ja doch noch mal befördert werden.«
    »Nicht um jeden Preis.«
    Manchmal beneidete Robert seinen Freund um dessen Unbeirrbarkeit. Er buckelte vor niemandem, hielt nie mit seiner Meinung hinter dem Berg, nahm Kollegen in Schutz, die seiner Ansicht nach zu Unrecht getadelt worden waren. Nie würde er vor jemandem zurückweichen, nur weil dieser einflussreiche Freunde hatte. Bisher hatte ihm sein Verhalten nicht geschadet, weil er gute Arbeit leistete und bei seinem Vorgesetzen Ernst Gennat wohlgelitten war. Bisweilen aberfragte sich Robert, wie lange das gutgehen würde. Und wie lange Leo seine Familie noch mit dem Gehalt eines Kommissars durchbringen konnte.
    Leo seufzte. »Ich finde nur, dass ein Rennpferd in diesen Zeiten vollkommen überflüssig ist. An jeder Ecke stehen die Leute an den Suppenküchen Schlange, in den Schulen verteilen sie Lebensmittel an die Kinder. Georg kam letzte Woche mit einem Päckchen Schwarzbrot nach Hause.« Er schüttelte den Kopf. »Ich weiß, uns geht es besser als den meisten, aber es wird allmählich eng. Ilse tauscht jetzt Eier und Briketts gegen neue Schuhsohlen. Viele Kinder tragen Holzsohlen, die können damit kaum laufen. Hast du das hier gesehen?« Er holte eine Broschüre aus der Schublade und warf sie auf den Tisch. Der Titel lautete: ›Not in Berlin. Tatsachen und Zahlen‹
.
»Vom Oberbürgermeister persönlich verfasst.«
    »Kenne ich nicht«, sagte Robert.
    »Solltest du aber. Georg hat mir erzählt, dass viele seiner Klassenkameraden nur trockenes Brot für die Pause dabei haben. Keine Milch. Sein Freund Peter sagt, dass seine kleine Schwester noch nie Milch getrunken hat, das Kind ist zwei Jahre alt. Oft traut er sich nicht in die Schule, weil er nichts Sauberes anzuziehen hat. Die Kollegen von der Inspektion C wissen nicht, wo ihnen der Kopf steht. Zahllose Fälle von Mundraub und Diebstahl von Lebensmitteln, gestohlene Brotkarten   –« Er verstummte.
    Robert fühlte sich leicht unbehaglich, wie immer, wenn Leo so leidenschaftlich über das Elend anderer Menschen sprach. Natürlich war die Not schlimm, aber als Polizeibeamter hatte man zumindest eine sichere Stelle. Manchmal wünschte er sich, der Freund und Kollege würde das Leben etwas leichter nehmen.
    »Das weiß ich doch alles, aber da können wir nichts dran ändern. Wir sind doch keine Politiker.«
    »Wer nur für sich sorgen muss, hat es leichter«, entgegnete Leo. »Mit einer Familie wird es schwierig. Eine Fabrik bei uns in Moabit gestattet den Arbeiterinnen neuerdings, den Lohn morgens am Werktor abzuholen, damit sie sofort das Nötigste besorgen können, weil sie nach Feierabend für das Papier nichts mehr bekommen. Und für von Malchow ist es eine Tragödie, dass dieser teure Klepper in einem Kochtopf gelandet ist.«
    Sie schauten einander an und mussten wieder lachen. »Na ja, immerhin ist uns der Humor noch nicht vergangen. Ist vielleicht der einzige Weg, um dieses Leben auszuhalten«, meinte Leo.
    »Kennst du den Witz von dem Oberkellner, der   –«
    Das Telefon klingelte. Robert meldete sich. »Ja, verstehe. Erst ärztlich versorgen, dann zu Heidler zur Befragung. Der Kollege hat sich auf solche Fälle spezialisiert.« Er hängte ein. Auf Leos fragenden Blick sagte er: »Raubüberfall hinter dem Stettiner Bahnhof. Das Opfer wurde nicht nur seiner Wertsachen beraubt, man hat ihm sogar mit brutaler Gewalt die Goldzähne aus dem Mund gerissen.«
    »Wenn das Geld nichts mehr wert ist, muss man eben in Sachwerte investieren«, bemerkte Leo zynisch.
     
    Als es kurz darauf klopfte, blickte Leo von einem Aktenordner auf. »Herein.«
    Eine rundliche Frau mit freundlichem Gesicht erschien in der Tür. »Herr Wechsler?«
    »Fräulein Steiner, was verschafft mir das Vergnügen?«
    Trudchen Steiner, hinter vorgehaltener Hand auch Bockwurst-Trudchen genannt, war die Sekretärin von Kriminaloberkommissar Ernst Gennat. Ihre Statur verriet, dass sie ähnlich gerne aß wie ihr Chef.
    Sie legte ihm einen Zettel auf den Schreibtisch. »Vorhin hat ein Dr.   Behnke angerufen. Eine seiner Patientinnen istunter, wie er es ausdrückt, etwas fragwürdigen Umständen verstorben. Herr
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