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Die Tote von Charlottenburg: Kriminalroman (German Edition)

Die Tote von Charlottenburg: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Tote von Charlottenburg: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Susanne Goga
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  – wohnte in Charlottenburg. Sie äußerte eine merkwürdige Abneigung dagegen, sich im Krankenhaus behandeln zu lassen, obwohl sie selbst Ärztin war. Vermutlich hat sie nicht an eine ernsthafte Erkrankung geglaubt oder wollte nicht daran glauben.«
    Leo notierte sich etwas. »Wer hat sie denn gepflegt?«
    »Zunächst niemand. Sie hat wohl versucht, allein zurechtzukommen. Da sie bei uns zum Essen eingeladen war und nicht erschien und auch telefonisch nicht zu erreichen war, ist meine Mutter zu ihr in die Wohnung gefahren. Sie hat ihr gut zugeredet, ins Krankenhaus zu gehen. Ohne Erfolg. Also haben wir den Hausarzt meiner Mutter hinzugezogen. Er wollte sie unbedingt in eine Klinik einweisen, aber die Krise kam so schnell. Dann war es zu spät.«
    »Auch ein Mensch, der immer gesund gelebt hat, kann erkranken«,erwiderte Leo in nüchternem Ton. Bisher hatten ihn die Erklärungen des jungen Mannes nicht überzeugt. »Gab es weitere Verdachtsmomente?«
    »Nun ja, sie hat phantasiert, aber   … kurz bevor sie starb, hat sie mich ganz eindringlich angesehen. Und dann hat sie geflüstert: ›Das ist etwas anderes. Das spüre ich.‹ Und dann noch etwas, das klang wie ›Paternoster‹.«
    »War Ihre Tante ein gläubiger Mensch?«
    Lehnhardt schüttelte den Kopf. »Ganz und gar nicht, jedenfalls nicht im christlichen Sinn.«
    »Sie glauben also nicht, dass sie vor ihrem Tod gebetet haben könnte?«
    »Bestimmt nicht.«
    »Wenn Menschen im Sterben liegen, verhalten sie sich manchmal ganz anders, als man es von ihnen kennt«, warf Robert Walther ein.
    »Ich bedauere, Herr Lehnhardt, aber Ihre Ausführungen allein reichen nicht aus, um eine Ermittlung einzuleiten«, erklärte Leo. »Ich muss mir erst anhören, was Dr.   Behnke zu sagen hat. Ich nehme aber zu Protokoll, dass Sie am 24.   Oktober 1923 hier erschienen sind, weil Sie vermuten, dass Ihre Tante, Dr.   Henriette Strauss, keines natürlichen Todes gestorben ist.«
    »Das ist richtig.«
    »Haben Sie mit jemand anderem außer dem Arzt darüber gesprochen oder Ihren Verdacht geäußert?«
    Lehnhardt schüttelte den Kopf. »Nein, ich wollte meine Mutter nicht unnötig aufregen. Tante Jettes Tod hat sie tief getroffen. Sie war ihre kleine Schwester, selbst nach all den Jahren.«
    »Gut. Können Sie mir sonst noch etwas über Ihre Tante sagen? Persönliche Dinge, etwas über ihren Charakter, wie sie gelebt hat, welchen Umgang sie pflegte?«
    Lehnhardt räusperte sich. »Meine Tante war Ärztin, einBeruf, an dem sie mit großer Leidenschaft hing. Sie war eine Frau, die offen ihre Meinung sagte und keiner Auseinandersetzung aus dem Weg ging. Nicht dass sie streitsüchtig gewesen wäre   – aber ihre Arbeit brachte es mit sich, dass sie gelegentlich mit den Autoritäten in Konflikt geriet. Sie arbeitete im Luisenkrankenhaus auf der Frauenstation. Außerdem war sie in einer Beratungsstelle für Frauen in Not tätig.«
    »Wie genau sah das aus?«
    »Nun, sie half Frauen, die, hm, in anderen Umständen und so arm waren, dass sie keine weiteren Kinder ernähren konnten. Kranken Frauen. Und auch   …« Er wurde rot. »Prostituierten. Jeder Frau, die ihre Hilfe brauchte.«
    »Das ist sehr lobenswert«, sagte Leo.
    »Meine Tante war ein Mensch, der unbeirrbar seinen Weg ging. Manchmal hat sie es anderen nicht leicht gemacht, weil sie an sie die gleichen hohen Ansprüche stellte wie an sich selbst. Sie konnte sich für so viele Dinge begeistern.« Er schluckte. »Meine Tante und ich haben uns sehr nahegestanden.«
    »Darum sind Sie ja hier«, sagte Leo ruhig. »Bitte nennen Sie mir der Vollständigkeit halber noch Ihren Namen, Geburtsort, Alter und Beruf. Die Anschrift bitte auch.« Er nickte zu Robert Walther hinüber, der mitschrieb.
    »Adrian Gustav Lehnhardt, geboren in Davos, zweiundzwanzig Jahre, wohnhaft Baseler Str. 12a in Berlin-Lichterfelde, Musikstudent.«
    »Welches Instrument?«
    »Ist das auch für die Akten?«
    »Nein, für mich«, entgegnete Leo. »Ich mache mir gern ein Bild von den Menschen, mit denen ich zu tun habe.«
    »Geige.«
    »Sind Sie schon aufgetreten?«
    »Ja, im Konzerthaus.«
    »Und später wollen Sie zu den Philharmonikern?«
    »Ich plane eine Laufbahn als Solist«, erwiderte Lehnhardt etwas ungeduldig. »Aber ich weiß ehrlich gesagt nicht, was das mit diesem Fall zu tun haben soll.«
    »Ob wir einen Fall haben, muss sich erst herausstellen«, erwiderte Leo gelassen. »Herr Lehnhardt, Sie werden verstehen, dass wir ein Anliegen wie das
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