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Die Tote von Charlottenburg: Kriminalroman (German Edition)

Die Tote von Charlottenburg: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Tote von Charlottenburg: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Susanne Goga
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Lungenentzündung gestorben. Aber es könnte auch ein Fall für uns werden.«
    »Wieso?«
    »Es gibt gewisse Anhaltspunkte, die auf eine unnatürliche Todesursache hindeuten. Noch nichts Greifbares, wir beginnen gerade erst mit den Ermittlungen. Der Hausarzt hat Zweifel geäußert, denen wir nachgehen müssen. Erinnerst du dich noch, worüber ihr gesprochen habt? Jede Kleinigkeit könnte wichtig sein.«
    Im Geiste versetzte sich Clara an den Strand, roch die salzige Luft, hörte die Wellen ans Ufer branden. Sah die weiß gekleidete Frau vor sich, die die Arme ausbreitete und die Einsamkeit feierte. Sie berichtete Leo, was ihr gerade in den Sinn kam   – vom Yoga, von den Reisen, vom Kampf, sich alsÄrztin inmitten von Männern zu behaupten, und von den armen Frauen, denen sie geholfen hatte.
    »Sie erwähnte auch ihre Unabhängigkeit. Daraus habe ich geschlossen, dass sie unverheiratet und kinderlos ist. Weißt du, es klingt verrückt, ich habe sie ja kaum gekannt   … Aber diese Frau war so voller Leben, impulsiv, interessiert, freundlich. Und das alles soll auf einmal vorbei sein.« Sie schüttelte den Kopf. »Für dich gehört der Tod zum Alltag, aber   –«
    Sie hielt inne, als Leo abwehrend die Hand hob. »Alltag wird er nie, da solltest du mich besser kennen.« In diesem Augenblick hörte man Stimmen auf dem Flur, und schon stürmte Marie herein. Georg folgte gemessenen Schrittes, wie es sich für einen großen Bruder gehörte.
    »Vati, Tante Ilse war mit uns auf dem Jahrmarkt. Sieh mal   –« Sie hielt ihm eine Tüte Pfannkuchen mit Puderzucker hin. »Die haben wir euch mitgebracht.« Sie lächelte Clara an.
    Die Kinder kannten Clara seit über einem Jahr. Selbst Georg konnte sich kaum an seine Mutter erinnern, doch war es für beide zunächst sonderbar gewesen, als sie Leos Zuneigung für Clara bemerkten. Seit sie denken konnten, hatte es nie eine andere Frau als Tante Ilse in seinem Leben gegeben. Aber sie spürten, dass zwischen ihrem Vater und Clara Bleibtreu etwas Besonderes gewachsen war. Marie war sehr schnell aufgetaut, und auch Georg fasste nach anfänglichem Zögern Vertrauen zu ihr.
    »Es wird kalt«, sagte Ilse und trat mit aufgeknöpftem Mantel ins Wohnzimmer. Ihre Wangen waren gerötet und verliehen ihrem Gesicht eine ungewohnte Lebendigkeit. »Jetzt ist sie leer.« Sie stellte eine Einkaufstasche auf den Boden. »Vorhin war sie bis zum Rand voll mit Scheinen.«
    »Tante Ilse hat eine ganze Tasche voller Geld ausgegeben«, sagte Georg ehrfürchtig. Er wusste zwar, dass alles immer teurer wurde und Geld nichts mehr wert war, verstand abernoch nicht die komplizierten Zusammenhänge der Katastrophe namens Inflation, die seit Jahren wie ein bleierner Mantel über Deutschland lag.
    Clara stand auf. »Ich habe Würstchen fürs Abendbrot mitgebracht. Es war ein Glücksfall. Sie sind in der Küche.«
    Leo schaute von einer Frau zur anderen. Ilse nickte. »Danke. Es sind noch Kartoffeln da, die koche ich dazu.«
    Clara setzte sich wieder. »Ruf mich, wenn du Hilfe brauchst.«
    Leo bewunderte Claras Gespür. Sie wusste genau, wann ihre Anwesenheit erwünscht war und wann nicht. In der Küche blieb Ilse am liebsten allein, das war ein geschützter Raum, in dem sie nur die Kinder um sich duldete. Obwohl Clara von den Spannungen zwischen Leo und seiner Schwester wusste, hatte sie sich von Ilses barscher Art nie abschrecken lassen.
    Auch als sich Marie auf seinen Schoß gekuschelt und Georg sich neben ihn auf einen Stuhl gesetzt hatte, um ihm einen Katalog mit Anker-Baukästen zu zeigen, dachte Leo noch einmal an Claras Begegnung mit Henriette Strauss. Seltsam, wie Menschen bisweilen das eigene Leben streiften und dann für immer daraus verschwanden.
     
    Ilse Wechsler saß am Küchentisch und schälte Kartoffeln. Die Hängelampe brannte und warf einen Lichtkegel auf den Tisch, während der übrige Raum im herbstlichen Dunkel lag. Ihre Hände verrichteten die Arbeit mechanisch, und sie konnte ihren Gedanken freien Lauf lassen. Seit Wochen ging ihr die Frage nicht aus dem Kopf.
    Clara Bleibtreu würde nicht einfach aus ihrem Leben verschwinden. Leo kannte sie seit über einem Jahr, und es war nicht zu übersehen, dass er sie liebte. Auch Georg und Marie hatten sie gern, und Clara ging sehr nett und zwanglos mit den Kindern um. Sie war ein freundlicher, hilfsbereiterMensch, der sich nicht in Leos Familienleben gedrängt, sondern behutsam angenähert hatte.
    Doch Ilse konnte so nicht weiterleben. Es war
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