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Die Tote im Nebel - historischer Krimanlroman

Die Tote im Nebel - historischer Krimanlroman

Titel: Die Tote im Nebel - historischer Krimanlroman
Autoren: Gmeiner-Verlag
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dass sich noch kein Eis auf dem Regenwasser gebildet hatte.
    Mit zusammengebissenen Zähnen rutschte sie weiter hinab und landete geradewegs im Rosenbeet. Die lehmige Erde klebte an ihren Füßen, aber wenigstens hatte ihre Mutter die Rosen schon geschnitten, sodass sie nicht auch noch mit ihrem Nachtrock hängen blieb. Nun waren es nur noch wenige Schritte zu den erleuchteten Fenstern der Stube.
    Vorsichtig stakste Sophie aus dem Beet und huschte zur Hauswand. Ihr Herz raste in der Brust, dass sie meinte, es müsse in ganz Marburg zu hören sein. Erwartungsvoll hob sie den Kopf, um einen Blick über das Fensterbrett zu riskieren.
    »Was machen Sie da?«
    Sophie fuhr zusammen und drehte sich um. Ihr Hals war eng, dass sie meinte, nie wieder Luft zu bekommen. Wie unsagbar peinlich, war der erste Gedanke, den sie fassen konnte, doch als sie den jungen Mann erkannte, der am Durchgang zum Garten stand und mit gerunzelter Stirn zu ihr hinüberblickte, wusste sie, dass peinlich noch viel zu harmlos war.
    Die Schatten umschmeichelten seine Züge, das längliche Gesicht mit der schmalen, markanten Nase, die wachen Augen und der widerspenstige Haarschopf, der bei Jakob bisweilen störrisch, bei Wilhelm hingegen fast verwegen wirkte. Fragend blickte er sie an, mit einer Hand noch die Kleidung richtend. Vermutlich kam er gerade vom Abort und war deshalb auf sie aufmerksam geworden. Sophie verspürte das drängende Bedürfnis, auf der Stelle im Erdboden zu versinken.
    »Sophie? Bist du das?« Er hielt inne, starrte sie ungläubig an. »Was zum Teufel machst du denn hier?«
    Nur Mut, riss sich Sophie zusammen und machte einen Schritt auf ihn zu, ihren unangemessenen Aufzug kurzerhand ignorierend. »Herr Wilhelm Grimm«, stellte sie fest und zauberte tatsächlich ein liebenswürdiges Lächeln auf ihre Lippen. »Ich muss wohl kaum fragen, was du hier draußen tust?« Ihr Blick glitt zu seinem Hemd, das er gerade noch in seinen Hosenbund gestopft hatte.
    »Äh … ja, ich … « In der Dunkelheit sah es Sophie nicht, aber sie konnte ahnen, wie ihm das Blut ins Gesicht schoss.
    »Ich habe gewartet«, log sie dreist und betete, dass er im Dunkeln die frische Erde an ihren Füßen nicht bemerkte. »Ich war auf dem Weg zu dem Ort, den du gerade aufgesucht hast, doch leider bist du mir zuvor gekommen.« Erstaunlich, wie leicht die Lüge von den Lippen ging, aber sie schien überzeugend.
    »Entschuldigung, ich wusste nicht … Ich habe dich nicht gesehen, sonst hätte ich dir natürlich den Vortritt gelassen.« Endlich hatte er das Hemd verstaut und straffte die Schultern. Sie hörte ihn ausatmen. »Ich hoffe, du wartest nicht zu lange?«
    »Solange ich hier nicht festgefroren bin, musst du dir keine Gedanken machen.« Sophie zog den Nachtrock enger um die Schultern, während ihr Blick prüfend über das Gesicht ihres Gegenübers glitt. Er schien ihr zu glauben, einen Zweifel ließ er sich zumindest nicht anmerken. »Allerdings ist es schon sehr kalt.«
    Wilhelm nickte und machte rasch einen Schritt zur Seite. »Dann … will ich dich nicht aufhalten. Vielleicht kann ich als Wiedergutmachung auf dich warten und dich zurück ins Haus geleiten?«
    Um Himmels willen, fuhr es Sophie durch den Kopf, doch es gelang ihr, das offene Lächeln zu wahren. »Das ist freundlich, aber man wird dich drinnen bereits vermissen«, schüttelte sie mit gespieltem Bedauern den Kopf. »Geh ruhig, ich komme schon zurecht. Nein, warte … « Sophie stockte, als käme ihr gerade ein verwegener Gedanke. Natürlich war es ungebührlich, aber was konnte noch ungebührlicher sein, als im Nachtgewand auf dem Hinterhof mit einem Mann, mit dem man nicht einmal verlobt war, über den Latrinengang zu plaudern? »Du kannst die Unannehmlichkeit wieder gut machen«, verkündete sie großzügig und setzte ihr strahlendstes Lächeln auf, in der Gewissheit, dass es seine Wirkung nicht verfehlte. »Meine Freundin Anna, ihr Verlobter Friedrich und ich unternehmen morgen Nachmittag einen Spaziergang, um das goldene Herbstwetter zu genießen. Wie wäre es, wenn du uns begleitest?«
    Bang erwartete sie seine Reaktion. Ob sie sich zu weit vorgewagt hatte?
    Doch Wilhelm Grimm schien keineswegs schockiert. Eher – amüsiert. Vermutlich durchschaute er ihr Spielchen längst.
    »Sicher«, nickte er und deutete eine Verbeugung an. »Es wird mir ein Vergnügen sein, Fräulein Dierlinger. Du erlaubst, dass ich meinen Bruder ebenfalls dazu bitte? Ihm täte es gut, die staubige Studierstube
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