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Die Tote im Nebel - historischer Krimanlroman

Die Tote im Nebel - historischer Krimanlroman

Titel: Die Tote im Nebel - historischer Krimanlroman
Autoren: Gmeiner-Verlag
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für ein paar Stunden zu verlassen.«
    »Selbstverständlich. Morgen um drei Uhr? An der Weidenhäuser Brücke.« Sophie schob sich an ihm vorbei. »Seid pünktlich!«, drohte sie ihm spielerisch mit dem Finger.
    Er lachte. »Keine Sorge, wir werden da sein.«
    Sophie bewegte sich lächelnd rückwärts, bis sie die Tür zum Abort hinter sich spürte, hineinhuschte und eilig den Riegel vorschob. Bei allen Heiligen, war sie übergeschnappt?, ging es ihr durch den Kopf, während sie mit klopfendem Herzen an der Tür lehnte und ihren Atem zur Ruhe zwang. Sie war verrückt, irrsinnig. Ihre Mutter würde sie wochenlang in ihre Kammer sperren, wenn sie davon erführe.
    Aber es fühlte sich unangemessen gut an.

II
    Der Nebel, der das Lahntal am Morgen noch in trübes Grau gehüllt hatte, wich gegen Mittag der goldenen Herbstsonne. Im Schatten zwischen den Hauswänden war es noch kühl gewesen, sodass Sophie den wollenen Mantel umgelegt hatte, der ihr mittlerweile viel zu warm erschien. Gut gelaunt schritt sie voran, den Arm bei Wilhelm Grimm eingehakt, der zu ihrer Erleichterung kein Wort über ihr nächtliches Treffen verloren hatte. Verstohlen blickte Sophie an ihm hoch. Im warmen Herbstlicht sah er noch besser aus als im Halbschatten des Hinterhofs, feiner, gefälliger als sein großer Bruder, der sich ihnen angeschlossen hatte.
    »Sehnst du dich eigentlich nach Kassel zurück?«, erkundigte sie sich beiläufig und fasste den Arm ein wenig fester.
    »Ich fürchte, dass Sie ihn irgendwann zu einer für Sie unerfreulichen Antwort nötigen, wenn Sie ihn das immer wieder fragen, Fräulein Dierlinger«, ließ sich Jakob knurrend vernehmen. Die Hände in den Rocktaschen versenkt, ging er neben ihnen her. Sophie argwöhnte, dass er von Wilhelms Einladung wenig angetan war.
    Wilhelm lachte. »Du musst Jakob verzeihen. Es ist spät geworden gestern, und ich fürchte, ich habe ihn um den Schlaf gebracht.«
    »Geschnarcht hast du«, brummte Jakob. »Zumindest ich war heute Nacht einige Male kurz davor, dich umgehend nach Kassel zurückzuwünschen.«
    »Ich kann meine Mutter fragen, ob es möglich ist, eine einzelne Kammer zu vermieten«, bot Sophie an. »Unser Haus ist groß genug, wenn Sie lieber alleine schlafen.«
    Jakob schüttelte den Kopf. »Sorgen Sie sich nicht. Wir sind es gewohnt, eine Kammer zu teilen. Außerdem könnten wir es nicht bezahlen, so verlockend das Angebot auch ist.«
    Sophie nickte leicht und wandte den Blick zurück zur Stadt, um die Enttäuschung zu verbergen. Der Gedanke war plötzlich gekommen, aber wenn sie weiter darüber nachdachte, musste sie eingestehen, dass Jakob recht hatte. Die Mutter der Grimms war die Witwe eines Amtmanns, die noch mehr Kinder als nur die beiden Söhne zu versorgen hatte. Der Luxus einer eigenen Kammer war undenkbar.
    »Um deine Frage zu beantworten, es gefällt mir im Übrigen sehr gut.« Wilhelm lächelte. »Marburg. Es hat etwas Verwunschenes. Als sei die Zeit zwischen den Mauern stehen geblieben.«
    »Warte nur ab, bis du es im Winter siehst«, nickte Sophie. »Wenn der Schnee die Dächer und Gassen bedeckt.«
    Sie waren stehen geblieben und blickten nun alle drei hinauf zur Stadt, die sich am Schlossberg hinaufzog. Wie von Riesenhand zusammengeschoben drängten sich die Häuser aneinander, dazwischen der steil aufragende Turm der Pfarrkirche und das breite Satteldach des Rathauses mit seinen Stufengiebeln. Das Herbstlicht malte warme Farben auf Dächer und Mauern und ließ sie für den Moment tatsächlich wie aus einer anderen, märchenhaften Welt scheinen.
    »Meine Großmutter sagt, die Stadt sei verwunschen«, sagte Sophie versonnen. »Irgendwo zwischen den Häusern soll es eine Treppe geben, die nicht wie alle anderen hinauf zur nächsten Tür führe, sondern immer zu einem anderen Ort, sooft man sie auch gehe.«
    Wilhelm warf ihr einen amüsierten Blick zu. »Und? Wo bist du überall gelandet?«
    »Ich habe sie nie gefunden.«
    »Woher willst du dann wissen, dass es sie gibt?«
    »Ich sagte nicht, dass es sie gibt, sondern dass es sie geben soll . Wenn es sie aber tatsächlich gibt und sie verwunschen ist, wundert es nicht, dass man sie nicht findet, weil man dadurch ihre Existenz beweisen würde. Wenn es gelänge, widerspräche das wiederum der Tatsache, dass sie verwunschen ist.«
    »Bestechende Logik«, nickte Jakob und wandte sich an seinen Bruder. »Im Volksmund neigt man dazu, unerklärliche Ereignisse in wundersame Geschichten zu betten, und ein Ort wie dieses
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