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Die Tote im Nebel - historischer Krimanlroman

Die Tote im Nebel - historischer Krimanlroman

Titel: Die Tote im Nebel - historischer Krimanlroman
Autoren: Gmeiner-Verlag
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und da ist der Brentano und dieser Grimm-Griesgram, und das muss …
    »Lass mich jetzt endlich!« Mit einem Satz war Sophie auf den Beinen und stieß ihre Schwester beiseite, um sich an ihr vorbei zum Guckloch zu drängen.
    »Heh!« Lisbeths erschrockener Ausruf ging in dem Gepolter unter, als sie gegen das Regal stolperte und Halt suchend die Schäferin aus Meißner Porzellan hinabfegte.
    Der warnende Ruf blieb Sophie im Hals stecken, als das Püppchen zu Boden fiel und mit einem lauten Scheppern zerbarst. Fassungslos starrte sie auf die Porzellansplitter. Die Figur war ein Geschenk ihres Vaters an die Mutter gewesen, ein altes Erinnerungsstück, das gerade in Einzelteile zerbrochen war.
    Die Stimmen in der Stube waren mit einem Mal verstummt.
    »Weg da!« Lisbeth hatte sich als Erste von ihrem Schrecken erholt und stieß Sophie beiseite, um die Überreste der Figur mit dem Fuß unter das Regal zu schieben. Keinen Augenblick zu früh, denn im nächsten Moment wurde die Tür aufgerissen und ihre Mutter stand in der Kammer. Sie trug ihr schlichtes Trauerkleid mit einem schwarzen Spitzentuch und einer Haube, unter der ein weniger markantes Gesicht unscheinbar gewirkt hätte. Doch Lotte Dierlinger flößte in jedem Aufzug Respekt ein. Die Hände am Türrahmen und mit zornig funkelnden Augen erschien sie Sophie wie die Inkarnation eines Racheengels.
    Die erwartete Strafpredigt blieb jedoch aus, stattdessen zog sie die Tür hinter sich zu.
    »Seid ihr von allen guten Geistern verlassen?«, zischte sie. Die weißen Schleifspuren des Porzellans auf dem Dielenboden schien sie nicht zu bemerken. »Habe ich mich nicht klar ausgedrückt? Ab in eure Kammer!«
    »Ja, Mutter.« Lisbeth neigte bestürzt den Kopf und gab Sophie mit einem Knuff zu verstehen, es ihr gleichzutun. »Wir waren nur gespannt …
    »Neugierige Gänse seid ihr!« Obwohl sie gedämpft sprach, trafen sie die Worte der Mutter wie Peitschenhiebe. »Gerade von dir hätte ich mehr erwartet, Lisbeth. Wo ist eure Großmutter?«
    »Sie schläft«, log Sophie, ohne zu zögern. Sie wollte nicht, dass es aussah, als würde die Großmutter ihr heimliches Lauschen gut heißen. »Sie hat uns nicht gesehen.«
    »Verschwindet jetzt.« Ihre Mutter wandte sich wieder zur Stube, allerdings nicht, ohne den beiden einen warnenden Blick zuzuwerfen. »Und wehe, wenn ich heute Abend noch einen Mucks von euch höre.«
    »Ja, Mutter«, murmelte Sophie, als sich die Tür bereits wieder geschlossen hatte. Hilflos blickte sie Lisbeth an. »Und jetzt?«
    »Jetzt sammeln wir das Ding ein und gehen nach oben.« Lisbeth war neben dem Regal in die Knie gegangen und pickte sorgfältig die Überreste der Schäferin darunter hervor. »Morgen überlegen wir uns, wie wir das wieder gut machen. Vielleicht kann Heinrich uns helfen.«
    »Sicher«, murrte Sophie. Wenn es für Lisbeth jemanden gab, der Wunder vollbringen konnte, dann war es ihr Verlobter Heinrich. Sogar zerborstene Porzellanfiguren wieder zusammensetzen.
    Sehnsüchtig warf sie einen letzten Blick zum Guckloch, ehe sie Lisbeth folgte. Wie gern hätte sie sich trotz des Verbots dahinter versteckt, aber sie fürchtete, dass ihre Mutter die Tür nun sehr genau im Auge behalten würde. Dabei hatte sie sich den ganzen Tag schon gefreut, den jüngeren Grimm zu sehen. Seit Ostern lebte er in Marburg, und Sophie war, als tanzten unaufhörlich Schmetterlinge in ihrem Bauch, sobald sie auch nur an ihn dachte. Er sah gut aus, war freundlicher als sein Bruder und besaß ein entwaffnendes Lächeln, das ihre Knie jedes Mal weich werden ließ. Und er war klug, klüger als die meisten anderen jungen Männer, die bisweilen um sie herumscharwenzelten. Wie sein älterer Bruder war er nach Marburg gekommen, um bei Savigny Rechtswissenschaften zu studieren, aber Sophie hatte keine zwei Tage gebraucht, um festzustellen, dass Wilhelms Herz für viele Dinge schlug – nur nicht für die Juristerei.
    »Wenn Heinrich und ich eines Tages nach Kassel ziehen, werde ich selbst Abendrunden veranstalten«, unterbrach Lisbeths Stimme ihre Gedanken, während sie die schmale Treppe zu ihrer Kammer emporstiegen.
    »Wenn Heinrich das zulässt.« Sophie steuerte schnurstracks ihr Bett an und ließ sich darauf fallen. »Vielleicht denkt er, es könnte zu freiheitlich sein?«
    »Heinrich mag es, wenn Frauen gebildet sind«, widersprach Lisbeth und zog eine Schachtel aus ihrer Kommode hervor, in die sie die Überreste der Porzellanschäferin bettete. »Du kannst uns ja
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