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Die Tortenbäckerin

Die Tortenbäckerin

Titel: Die Tortenbäckerin
Autoren: Brigitte Janson
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Müller und schlug Siggo auf die breiten Schultern. Er war fast so groß wie der junge Fuhrunternehmer, besaß volles stahlgraues Haar und einen breiten Schnurrbart, gestutzt nach der Mode des Kaisers. Sein runder Bauch und die rote Gesichtsfarbe zeugten von einer Neigung zu Gemütlichkeit und gutem Essen, aber seine hellen, scharf blickenden Augen verrieten ihn. Siggo erkannte sogleich, dass er einen intelligenten und streng kalkulierenden Geschäftsmann vor sich hatte.
    Â»Ein Mann, der sich für keine Arbeit zu schade ist, der ist ganz nach meinem Geschmack.«
    Also doch, dachte Siggo. Eine Prüfung.
    Â»Aus Ihnen kann noch etwas werden, Bursche«, fügte Müller jovial hinzu.
    Siggo nickte und biss sich auf die Lippen, bis er Blut schmeckte. Zu gern hätte er dem Kommerzienrat erklärt, dass er der Erbe eines alteingesessenen Unternehmens war, das bis vor kurzem noch floriert hatte. Aber solche Dinge interessierten Müller nicht, vermutete er. Mit Leuten, die über ihre Not lamentierten, wollte er gewiss keine Geschäfte machen.
    Â»Stets zu Diensten«, sagte er daher nur. Müller griff in seine Westentasche, fischte ein paar Münzen heraus und warf sie ihm zu.
    Geschickt fing Siggo sie auf. Vier Reichsmark! Das war mehr als großzügig. Hoffnung flammte in ihm auf. Gut möglich, dass von dem Großhändler von nun an mehr Aufträge kämen. Für das Fuhrunternehmen Freesen konnte ein fester Kunde wie Müller die Rettung vor dem Bankrott bedeuten.
    Obwohl er noch schwitzte, warf er sich seinen Paletot wieder um die Schultern. Eine Erkältung konnte er sich nicht leisten. Den Pferden nahm er die Decken ab, schwang sich dann auf den Kutschbock und griff nach der Fahrleine. Mehr Aufforderung brauchten Max und Moritz nicht. Sie witterten schon den heimatlichen Stall und zogen den nun leichten Wagen flott durch den dunklen Herbstabend.

3
    I m Souterrain der Villa Hansen hatte früher an diesem Abend die junge Köchin Greta mit den Tränen gekämpft. Deutlicher hätte ihre Tante nicht werden können. Und es stimmte ja. Christoph war der jüngste Spross einer vornehmen Hamburger Bankiersfamilie, und sie, Greta, nur die Tochter eines Seemanns aus Altona. Nur? Greta straffte sich, Traurigkeit verwandelte sich in eine Mischung aus Stolz und Trotz. Sie würde sich ihrer Herkunft nicht schämen.
    Niemals!
    Greta beschwor das Bild ihres Vaters herauf. Lange war es her, seit sie als Kind voller Vorfreude quer durch Altona am Rathaus entlang und über den Marktplatz bis zum Osthafen an der Elbe gerannt war, um auf das Einlaufen des prächtigen Viermasters zu warten. Dort wimmelte es von Schauerleuten, die Ladungen löschten und abfahrende Schiffe beluden. Riesige Tuchballen, Kaffeesäcke oder Rumfässer wurden scheinbar ziellos am Kai hin und her geschleppt, und doch herrschte eine klare Ordnung. Es roch nach dem brackigen Wasser der Elbe, nach fauligem Fisch und nach dem Bierdunst aus den Hafenkneipen. Rauch stieg auf, Pfiffe ertönten, und über allem hing das Kreischen der Möwen und das Knattern der großen Segel im scharfen Wind. Stundenlang hätte Greta dem Schauspielbeiwohnen können. Welch ein Leben! Dieser Wald von Masten. Dieses Gewirr von Tauen. Hier war alles so viel lebendiger als daheim bei ihrer stillen Frau Mutter, die mit der Tochter neuerdings nur noch Französisch parlierte.
    Aber dann kam der große rotblonde Mann über den Kai auf sie zugelaufen, warf sie lachend hoch, wirbelte sie herum und hob sie auf seine Schultern. Sein erster Weg mit der Tochter führte ihn immer in seine Lieblingskneipe, die nach seinem Besitzer, einem alten Seebären mit Holzbein, einfach Fietje genannt wurde. Dort trank Fritz ein frisch gezapftes Pils, Greta bekam eine Zitronenlimonade mit viel Zucker darin. Und dann gab es ein besonders leckeres Essen, auf das sich Greta mindestens ebenso lange gefreut hatte wie auf die Rückkehr ihres Vaters. Während andere Kneipenwirte am Hafen höchstens kalte Frikadellen und nicht mehr sehr frisch riechende Matjes mit fettigen Bratkartoffeln anboten, hatte sich Fietje ganz auf seine eigene Leibspeise konzentriert, die ihm einst seine Mutter bei jeder Heimkehr zubereitet hatte: Hamburger Steak. Dazu würzte er frisches Rinderhack mit Salz und Pfeffer, vermischte reichlich Eigelb darunter und formte Steaks aus der Masse. Dann briet er das Fleisch scharf an, bestrich Brotscheiben
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