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Mit einer Prise Glück und Liebe

Mit einer Prise Glück und Liebe

Titel: Mit einer Prise Glück und Liebe
Autoren: B O'Neal
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EINS
    Ramona
    M eine Tochter Sofia sitzt neben der Kochinsel in meiner Backstube, als der Anruf kommt, vor dem wir uns alle insgeheim stets gefürchtet haben. Sie blättert in einer Zeitschrift, deren Hochglanzseiten leise rascheln.
    Ich experimentiere mit einem neuen Sauerteig-Starter, den ich angesetzt habe, um daraus das Schwarzbrot zu backen, das ich vor ein paar Wochen in einer Bäckerei in Denver probiert habe. Es ist nicht mein eigener kostbarer Starterteig, der aus der Familie meiner Großmutter Adelaide an mich weitergegeben wurde und bereits über hundert Jahre alt ist. Dieser Mutterteig hat meine Brote berühmt gemacht, weshalb ich ihn wie meinen Augapfel hüte.
    Der neue Starterteig gärt seit knapp zehn Tagen. Ich habe Kartoffeln zerdrückt und im Kochwasser an einem warmen Ort gehen lassen. Als der Teig anfing zu gären und zu wachsen, gab ich jeden Tag etwas Roggenmehl, Weizenvollkornmehl und Malzzucker dazu und ließ ihn fermentieren.
    Es ist ein warmer Mainachmittag. Ich halte das Glas in die Höhe und betrachte den Inhalt eingehend. Der Teig ist sehr lebendig und kräftig, mit zahlreichen blubbernden, gurgelnden Blasen. Obenauf schwimmt eine dicke, dunkelbraune Schicht – der durch die Gärung entstandene Alkohol. Als ich den Deckel öffne und die Nase darüberhalte, schlägt mir ein angenehm saurer Duft entgegen. Ich schüttle das Glas leicht, stecke den kleinen Finger hinein und probiere. »Mmm. Perfekt.«
    Sofia ist zwar eine halbwegs passable Bäckerin, legt aber deutlich weniger Leidenschaft an den Tag als ich. Sie lächelt, während sich ihre Hand in einer zärtlichen Geste auf den Bauch legt. Es ist ihre Linke, an der ein Brillantverlobungsring und ein goldener Ehering stecken. In knapp acht Wochen soll das Baby zur Welt kommen. Ihr Mann ist in Afghanistan.
    Seit vier Tagen haben wir nichts mehr von ihm gehört.
    Ich erinnere mich noch genau daran, wie ihr winziger Körper zusammengerollt in meinem Bauch schwamm; an die Zeit, als ich vorhatte, sie wegzugeben, und jede ihrer Bewegungen mit einer Mischung aus Entsetzen und Staunen wahrnahm. Könnte ich sie heute doch nur ebenso beschützen.
    Die Bäckerei ist an diesem Tag geschlossen. Die Spätnachmittagssonne fällt durch die Fenster und wird von den stählernen Oberflächen reflektiert, so grell, dass ich den Blick abwenden muss. Die Knetmaschinen stehen still. Ich rühre Melasse, Wasser, Öl und Mehl unter den Teig, bis er sich zu einer festen Masse verbindet, die ich mit einem dumpfen Platschen auf die Arbeitsplatte befördere. Ich versenke die Hände in dem klebrigen Klumpen, stäube einen Hauch Roggenmehl darüber und beginne ihn mit rhythmischen Bewegungen zu kneten, ehe ich den Prozess wiederhole. Diese Arbeit hat mir Muskeln in den Armen beschert, um die mich viele beneiden.
    »Was wünschst du dir eigentlich zum Geburtstag?«, fragt Sofia und blättert eine Seite um.
    »Bis dahin ist es noch eine halbe Ewigkeit.«
    »Gerade mal zwei Monate.«
    »Solange es nicht wieder schwarze Luftballons sind, bin ich zufrieden.« Letztes Jahr fühlte sich meine riesige Familie – zumindest die Mitglieder, die noch mit mir reden – bemüßigt, mich mit schwarzen Luftballons, einem Kuchen mit einem Grabstein darauf zu beglücken und Witze über Krähenfüße zu reißen, die ich jedoch dank Oma Adelaides ausgeprägten Wangenknochen nicht habe.
    »Zum Glück wird man ja nur einmal vierzig«, sagt Sofia und blättert die nächste Seite um. »Wie wär’s damit?« Sie hält die Zeitschrift mit der Anzeige für eine üppige Saphirhalskette hoch. »Die würde toll zu deinen Augen passen.«
    »Tiffany. Perfekt.« Im Augenblick bin ich so blank, dass selbst ein Ring aus dem Kaugummikasten noch zu teuer wäre, aber natürlich ahnt Sofia nichts von den finanziellen Problemen der Bäckerei. »Du kannst sie mir gern schenken, wenn du reich und berühmt bist.«
    »Wenn ich der Superstar unter den Vorschullehrerinnen bin?«
    »Genau.«
    »Abgemacht.«
    Ich drücke meinen Handballen in den Teig, der sich kühl und klamm unter meinen Fingern anfühlt. Ein erdiges Aroma entströmt ihm, und ich freue mich schon auf den Duft der karamellisierenden Melasse, der sich beim Backen entwickeln wird.
    Eine Mehlmotte fliegt zwischen uns hoch und flattert aufgeregt mit ihren mehligen Flügeln. Sofia wedelt sie stirnrunzelnd fort. »Ich hoffe nur, wir kriegen dieses Jahr keine Mottenplage.«
    Ich denke an »Moth« von Jethro Tull und versinke einen Moment lang in der
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