Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tortenbäckerin

Die Tortenbäckerin

Titel: Die Tortenbäckerin
Autoren: Brigitte Janson
Vom Netzwerk:
nicht prassen wie am kaiserlichen Hof. Und nun soll holterdiepolter ein Festbankett her.«
    Â»Ich weiß, warum«, kiekste Marie schüchtern in einen riesigen Kupfertopf.
    Â»Wirst du wohl deine freche Schnute halten!«
    Â»Es ist wegen den jungen Herren Meinhard und Christoph«, sagte nun Paula.
    Greta erstarrte.
    Â»Wir wissen es von Nelly, und die hat es mit eigenen Ohren gehört.«
    Das Dienstmädchen Nelly war schon seit zehn Jahren bei den Hansens in Stellung und war stets am besten über die Vorgänge in der Familie informiert. Besser offenbar als Greta, die es jetzt bedauerte, dass sie vorhin noch mit ihrem Wissen über die Elektrizität angegeben hatte. Sie sah, wie Paula sich aufplusterte vor lauter Wichtigkeit, und das Herz tat ihr auf einmal weh. Das wird schlimm, dachte sie auf einmal. Sehr schlimm.
    Die Worte trafen sie wie kleine spitze Pfeile: »Es ist eine Abschiedsfeier. Der Herr Christoph und der Herr Meinhard werden nämlich nach Deutsch-Ostafrika reisen. Und sie sollen mindestens ein Jahr wegbleiben. Nelly sagt, sie bauen eine Bank bei den Hottentotten.«
    Â»Wirst du wohl dein vorlautes Maul halten«, zischte Mathilde. »Oder muss ich dir erst eins mit dem Nudelholz überbraten?«
    Greta ging zu dem alten Tisch aus massiver Eiche und ließ sich auf einen Stuhl fallen. Afrika, hallte es in ihrem Kopf wider. Afrika, Afrika, Afrika!
    Die große Küche unter der niedrigen, weiß verputzten Decke verschwamm vor ihren Augen, die Kochdünste bereiteten ihr auf einmal Übelkeit, das Blut rauschte laut in ihren Ohren.
    Dann wurde es dunkel um sie.
    Als Greta wieder zu sich kam, lag sie auf einer himmlisch weichen Unterlage. Einen Moment lang genoss sie das Gefühl des dicken Polsters unter sich. Ihre schmale Bettstatt zu Hause in der Georgstraße verfügte nur über eine dünne harte Rosshaarmatratze. Wo war sie? Greta schlug die Augen auf, blickte sich um und erkannte einen kleinen Tisch und zwei Stühle. Biedermeierstil, dachte sie. Christoph hatte ihr das einmal beigebracht. Sie befand sich im kleinen Besucherzimmer in der Beletage, und ihre Finger strichen leicht über den bordeauxroten Samtbezug einer Chaiselongue. Wie war sie hierhergekommen? Greta setzte sich vorsichtig auf, verspürte noch einen leichten Schwindel und fuhr sich mit der Hand über die Stirn.
    Â»Schön sitzen bleiben.« Christoph kam herein, in der Hand ein kleines Tablett mit einer Karaffe darauf. EinZittern ging durch ihren Körper. Wie schön er war! Seine kastanienbraunen Locken über der hohen Stirn waren wie immer ein wenig zu lang. Seine Gesichtszüge mochten zu fein sein für einen Mann, aber in Gretas Augen verkörperten sie den Inbegriff von Vornehmheit. Er war kaum größer als sie, und ohne seine prächtige Kleidung mit den schwarzen Beinkleidern, dem hellen, breitgeschnittenen Rock und dem hohen steifen Kragen hätte er auf einen neutralen Betrachter beinahe unscheinbar gewirkt.
    Jetzt verzog Christoph seinen Mund zu einem traurigen Lächeln und reichte ihr ein Glas Wasser, als sei es das Normalste von der Welt, dass sie hier oben war, wie eine vornehme Besucherin der Familie. »Ich war auf der Suche nach dir und kam gerade in die Küche, als du ohnmächtig wurdest. Da habe ich dich hierhergebracht.«
    Â»Ich muss wieder nach unten«, sagte sie beklommen. Eine Welle der Angst schlug über ihr zusammen. »Wenn deine Mutter mich entdeckt …«
    Christoph ließ sie nicht ausreden. »Meine hochgeschätzte Frau Mutter ist vollauf mit ihren Gästen beschäftigt. Sie haben gerade erst mit der Krabbensuppe begonnen. Ich glaube kaum, dass sie nachschauen kommt, ob sich in ihrem Empfangszimmer ungebetene Besucher aufhalten.«
    Â»Aber du …«
    Wieder schnitt er ihr das Wort ab. »Sie wird die Abwesenheit ihres missratenen dritten Sohnes nicht bemerken.« Bitterkeit spiegelte sich in seinen Augen wider, und Greta empfand Mitleid für ihn. Seit Christoph denken konnte, wurden ihm seine älteren Brüder Meinhard und Friedrich als leuchtende Beispiele vorgehalten. Beide waren klug, ehrgeizig und folgsam. Zu allem Übel kamen sie beidenach dem Vater, waren groß und breitschultrig, jeder ein Bild von einem Mann. Friedrich würde schon in wenigen Jahren die väterliche Bank übernehmen, Meinhard sollte sich in Deutsch-Ostafrika bewähren, danach winkte ihm der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher