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Die Tore der Welt

Titel: Die Tore der Welt
Autoren: Ken Follett
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versuchen.«
    »Das wird Euch
nicht gelingen.«
    »Vergesst nicht,
ich bin verzweifelt.«
    Merthin stocherte
in seinem Essen herum. Er aß wenig und rang um seine Geduld, bis der Erzbischof
sich vom Tisch erhob; dann sprach er Gregory an. »Wenn Ihr mit mir einen Gang
in die Kathedrale machen wollt, würde ich gern mit Euch über etwas sprechen,
von dem ich glaube, dass es Euch sehr interessieren wird«, sagte er, und Gregory
nickte zustimmend.
    Nebeneinander
schritten sie durch das Hauptschiff, wo Merthin sicher sein konnte, dass
niemand nahe genug stand, um sie zu belauschen. Er holte tief Luft. Was er
vorhatte, war gefährlich. Er versuchte, dem König seinen Willen aufzuzwingen.
Wenn er scheiterte, würde man ihn vielleicht wegen Hochverrats anklagen — und
hinrichten.
    Er sagte: »Seit
Langem gibt es Gerüchte, dass irgendwo in Kingsbridge ein Dokument existiere,
das der König nur zu gern vernichtet wüsste.«
    Gregorys Gesicht
erstarrte zu Stein, doch er sagte: »Fahrt fort.« Seine Reaktion kam einer
Bestätigung gleich.
    »Dieser Brief
befand sich im Besitz eines Ritters, der kürzlich verstarb.«
    »Wirklich?«, rief
Gregory aufgeregt.
    »Ihr wisst offenbar
genau, wovon ich spreche.«
    Gregorys Antwort
verriet den Advokaten. »Unterstellen wir einmal rein theoretisch, dass dem so
sei.«
    »Ich würde dem
König gern den Dienst erweisen, ihm dieses Dokument zukommen zu lassen — was
immer darin steht.« Er wusste zwar genau, was es enthielt, doch er konnte
genauso vorsichtig Unkenntnis vorschützen wie Gregory.
    »Der König wäre
dankbar«, erwiderte Gregory.
    »Wie dankbar?«
    »Woran denkt Ihr?«
    »An einen Bischof,
der mehr Verständnis für die Einwohner von Kingsbridge hätte als Philemon.«
    Gregory sah ihn
scharf an. »Versucht Ihr, den König von England zu erpressen?«
    Merthin wusste
genau, dass er am kritischen Punkt angelangt war. »Wir Bürger von Kingsbridge
sind Kaufleute und Handwerker«, sagte er und bemühte sich, besonnen zu klingen.
»Wir kaufen, wir verkaufen, wir treffen Abmachungen. Ich versuche lediglich,
mit Euch einen Handel zu schließen. Ich möchte Euch etwas verkaufen und habe
Euch meinen Preis genannt. Da sind keine Erpressung und kein Zwang dabei. Ich
spreche keine Drohung aus. Wenn Ihr nicht haben wollt, was ich verkaufe, hat
sich die Angelegenheit damit erledigt.«
    Sie erreichten den
Altar. Gregory starrte das Kruzifix an, das ihn krönte. Merthin wusste genau,
was der Advokat dachte. Sollte er Merthin festnehmen, nach London schaffen und
foltern lassen, bis er das Versteck des Dokuments preisgab? Oder wäre es für
den König einfacher und bequemer, einfach einen anderen Mann als Bischof von
Kingsbridge zu nominieren?
    Eine lange Weile
herrschte Stille. In der Kathedrale war es kalt, und Merthin zog seinen Umhang
enger um sich. Endlich sagte Gregory: »Wo ist das Dokument?«
    »In der Nähe. Ich
führe Euch hin.«
    »Sehr wohl.«
    »Und unsere Abmachung?«
    »Wenn es sich bei
dem Dokument um das Schriftstück handelt, für das ich es halte, so stehe ich
für meinen Teil des Handels gerade.«
    »Und Ihr macht
Kanonikus Claude zum Bischof?« »Ja.«
    »Ich danke Euch«,
sagte Merthin. »Wir müssen ein kleines Stück in den Wald gehen.«
    Seite an Seite
gingen sie die Hauptstraße hinunter und überquerten die Brücke. Ihr Atem
bildete Wölkchen in der Luft. Die winterliche Sonne spendete nur wenig Wärme,
als sie in den Wald gelangten. Diesmal fand Merthin den Weg, nachdem er ihn
erst vor wenigen Wochen wiederentdeckt hatte, mit Leichtigkeit. Er erkannte den
kleinen Quell, den großen Felsen und das sumpfige Tal. Rasch erreichten sie die
Lichtung mit der dicken Eiche, und Merthin ging direkt zu der Stelle, an der er
die Schriftrolle ausgegraben hatte.
    Zu seinem Entsetzen
musste er sehen, dass ihm jemand zuvorgekommen war.
    Obwohl er die
lockere Erde sorgsam geglättet und mit Blättern bedeckt hatte, war das Versteck
von jemandem gefunden worden.
    Im Boden klaffte
ein anderthalb Fuß tiefes Loch, und daneben häufte sich die ausgehobene Erde.
Und das Loch war leer.
    Merthin starrte
entsetzt in die Grube. »Verdammt«, sagte er.
    Gregory sagte: »Ich
hoffe sehr, dass Ihr kein Spiel mit mir treibt…«
    »Lasst mich
nachdenken«, versetzte Merthin. Gregory verstummte.
    »Nur zwei Personen
wussten davon«, dachte Merthin laut nach. »Ich habe niemandem etwas gesagt,
also bleibt nur Thomas. Er wurde senil, ehe
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