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Die Tore der Welt

Titel: Die Tore der Welt
Autoren: Ken Follett
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überquerten
sie die Brücke. Gemeinsam durchschritten sie Leper Island und kamen durch den
Obsthain ins Haus.
    In der Küche saß
Lolla.
    Als sie ihren Vater
sah, brach sie in Tränen aus. Er legte die Arme um sie, und sie schluchzte an
seiner Schulter. Wo immer sie gewesen war, sie musste sich das Waschen
abgewöhnt haben, denn sie roch wie ein Schweinekoben, doch er war zu froh, um
sich daran zu stören.
    Es dauerte eine
Weile, bis sie Lolla entlocken konnten, was geschehen war. Als Erstes rief sie:
»Sie sind alle tot!« Dann fing sie wieder an zu weinen. Nach einer Weile
beruhigte sie sich und sprach zusammenhängender. »Sie sind alle tot«,
wiederholte sie und unterdrückte ihr Schluchzen. »Jake, Boyo, Netty und Hai,
Joanie und Chalkie und Ferret, einer nach dem anderen sind sie gestorben, und
ich konnte nichts machen!«
    Sie hatten im Wald
gelebt, erfuhr Merthin, eine Gruppe junger Leute, die Nymphen und Schafhirten
spielten. Die Einzelheiten kamen allmählich zutage. Die Jungen erlegten hin und
wieder einen Hirsch oder anderes Wild, und manchmal gingen sie für einen Tag
fort und kamen mit Brot und einem Fass Wein wieder zurück. Lolla behauptete,
sie hätten diese Lebensmittel gekauft, doch Merthin vermutete eher, dass sie
Reisende ausgeraubt hatten. Lolla hatte sich aus einem unerfindlichen Grund
eingebildet, sie könnten ewig so weiterleben; dass es im Winter anders wurde,
hatte sie nie überlegt.
    Am Ende leitete
jedoch nicht das Wetter, sondern die Pest das Ende der Idylle ein. »Ich hatte
solche Angst«, sagte Lolla. »Ich wollte nur zu Caris.«
    Gerry und Roley
hörten ihr mit offenem Mund zu. Sie beteten ihre ältere Base an. Obwohl sie in
Tränen nach Hause zurückgekehrt war, erhöhte der Bericht ihrer Abenteuer Lollas
Ansehen in ihren Augen nur.
    »Ich möchte mich
nie wieder so allein fühlen«, sagte Lolla. »So machtlos, während ringsum alle
meine Freunde krank sind und sterben.«
    »Das verstehe ich
gut«, sagte Caris. »So fühlte ich mich, als meine Mutter starb.«
    »Lehrst du mich,
Menschen zu heilen?«, bat Lolla sie. »Ich möchte ihnen wirklich helfen, so wie
du, nicht bloß fromme Lieder singen und ihnen ein Bild von einem Engel zeigen.
Ich will wissen, wie Blut und Knochen zusammenhängen, Kräuter kennen und
Mittel, von denen es den Menschen besser geht. Ich möchte etwas unternehmen
können, wenn jemand krank ist.«
    »Natürlich bringe
ich es dir bei, wenn du das möchtest«, sagte Caris. »Es wäre mir eine Freude.«
    Merthin war
erstaunt. Lolla war seit mehreren Jahren aufmüpfig und übellaunig gewesen, und
ihre Ablehnung jeder Autorität hatte sich zum Teil in der Behauptung geäußert,
dass Caris nur ihre Stiefmutter und nicht ihre richtige Mutter sei und daher
nicht respektiert werden müsste. Über den Sinneswandel seiner Tochter war er
sehr froh. Fast schien er Merthin sogar die quälende Sorge wert, die er
durchlitten hatte.
    Im nächsten Moment
kam eine Nonne in die Küche. »Die kleine Annie Jones hat einen Anfall, und wir
wissen nicht, was es ist«, sagte sie zu Caris. »Könnt Ihr kommen?«
    »Aber freilich«,
antwortete Caris.
    Lolla fragte: »Kann
ich mit?«
    »Nein«, sagte
Caris. »Hier ist deine erste Lektion: Sauberkeit ist das höchste Gebot. Geh und
wasch dich. Morgen kannst du mich begleiten.«
    Als sie gerade
gehen wollte, kam Madge Webber herein. »Habt ihr das Neuste gehört?«, fragte
sie mit unwilligem Gesichtsausdruck. »Philemon ist wieder da.«
     
    Am gleichen Sonntag
wurden Davey und Amabel in der kleinen Kirche von Wigleigh vermählt.
    Lady Philippa hatte ihnen erlaubt, das Lehnshaus
für die Feier zu benutzen. Wulfric schlachtete ein Schwein und briet es über
einem Feuer im Hof. Davey hatte süße Korinthen gekauft, und Annet hatte
Weckchen damit gebacken. Bier gab es keines — aus Mangel an Schnittern war die
Gerste zum großen Teil auf den Feldern verrottet —, aber Philippa hatte Sam mit
einem Fass Apfelwein nach Hause geschickt.
    Gwenda dachte noch
immer jeden Tag an die Szene in der Jagdhütte. Mitten in der Nacht starrte sie
in die Finsternis und sah Ralph mit ihrem Messer im Mund, wie der Griff
zwischen seinen braunen Zähnen hervorragte, während Sams Schwert ihn an die
Wand nagelte.
    Nachdem sie und Sam
ihre Waffen wieder an sich genommen hatten, indem sie die Klingen grob aus
Ralph herauszerrten, und der Leichnam zu Boden gefallen war, sah es aus, als
hätten die beiden
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