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Die Tore der Welt

Titel: Die Tore der Welt
Autoren: Ken Follett
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toten Männer sich gegenseitig getötet. Gwenda hatte Blut auf
ihre blanken Waffen geschmiert und sie liegen lassen. Draußen hatte sie die
Zügel der Pferde gelöst, damit die Tiere notfalls einige Tage lang überleben konnten,
bis jemand sie fand. Dann war sie mit Sam davongegangen.
    Der
Leichenbeschauer von Shiring hatte zunächst vermutet, dass Gesetzlose beteiligt
gewesen wären, doch am Ende war er zu dem Schluss gelangt, den Gwenda
erwartete. Auf sie oder Sam war kein Verdacht gefallen. Ihre Tat blieb
ungesühnt.
    Gwenda erzählte Sam
eine gekürzte Fassung dessen, was zwischen ihr und Ralph vorgefallen war. Sie
gab vor, es wäre das erste Mal, dass er versuchte, sie zu zwingen, und
behauptete, er hätte schlichtweg gedroht, sie zu töten, wenn sie sich weigerte.
Sam war wie vom Donner gerührt, dass er einen Grafen getötet hatte, doch für
ihn bestand kein Zweifel, dass seine Tat gerechtfertigt gewesen war. Er besaß
das Temperament eines Soldaten, begriff Gwenda: Hatte er jemanden getötet, litt
er weder an Reue noch an Gewissensbissen.
    Und ihr, ging es
genauso, ganz gleich, wie oft sie sich voll Abscheu die Szene vor Augen führte.
Sie hatte Alan Fernhill getötet und Ralph den Gnadenstoß versetzt, doch sie
empfand keinen Hauch von Bedauern. Ohne die beiden war die Welt ein besserer
Ort. Ralph war in dem Bewusstsein gestorben, dass sein eigener Sohn ihm das
Schwert in die Brust gestoßen hatte, und nichts anderes hatte er verdient. Mit
der Zeit, da war sie sicher, würden die Bilder dessen, was sie getan hatte, sie
nächtens nicht mehr heimsuchen.
    Sie schob die
Erinnerung fort und blickte im Saal des Lehnshauses auf die feiernden Dörfler.
    Das Schwein war
verspeist, und die Männer tranken den letzten Apfelwein. Aaron Appletree holte
die Sackpfeifen hervor. Seit dem Tod von Annets Vater Perkin gab es im Dorf
keinen Trommler mehr. Gwenda fragte sich, ob nun Davey das Trommeln anfangen
würde.
    Wie immer, wenn
Wulfric den Bauch voll hatte und in bester Stimmung war, wollte er tanzen.
Gwenda war seine erste Partnerin und lachte, während sie versuchte, mit seinen
langen Hüpfern Schritt zu halten. Er hob sie hoch, schwang sie durch die Luft,
drückte sie an sich und stellte sie wieder ab, nur um sie mit großen Sprüngen
zu umkreisen. Er besaß keinen Sinn für Rhythmus, aber seine Begeisterung
steckte an. Danach erklärte Gwenda, sie sei erschöpft, und Wulfric tanzte mit
seiner neuen Schwiegertochter Amabel.
    Darauf natürlich
tanzte er mit Annet.
    Sein Blick fiel auf
sie, kaum dass die Melodie verklang und er Amabel losließ. Annet saß auf einer
Bank an der Seite der Halle. Sie trug ein grünes Kleid, das mädchenhaft kurz
war und ihre zierlichen Fußgelenke entblößte. Das Kleid war nicht neu, aber sie
hatte die Büste mit gelben und rosaroten Blumen bestickt. Wie immer waren ihrer
Frisur einige Löckchen entkommen, und sie hingen ihr ins Gesicht. Sie war
zwanzig Jahre zu alt, um sich so zu kleiden, aber das begriff sie nicht und
Wulfric genauso wenig.
    Gwenda lächelte,
als sie zu tanzen begannen. Sie wollte fröhlich und sorglos aussehen, aber
schnell erkannte sie, dass ihr Ausdruck zur Grimasse gerann, und gab sich keine
weitere Mühe. Sie riss ihren Blick von ihnen los und sah Davey und Amabel zu.
Vielleicht entwickelte sich Amabel anders als ihre Mutter. Annets kokette Art
hatte ein wenig auf sie abgefärbt, aber noch nie hatte Gwenda sie tändeln
sehen, und gerade jetzt schien sie an niemandem interessiert als an ihrem
Gemahl.
    Gwenda suchte den
Raum ab und fand ihren anderen Sohn. Sam saß bei den jungen Männern. Mit Händen
und Füßen erzählte er eine Geschichte, zeigte, wie er die Zügel eines Pferdes
hielt und beinahe aus dem Sattel stürzte. Sie hingen an seinen Lippen. Vermutlich
beneideten sie ihn um sein großes Glück, ein Knappe zu sein.
    Sam lebte noch
immer auf Earlscastle. Lady Philippa hatte die meisten Knappen, Junker und
Soldaten behalten, denn ihr Stiefsohn Gerald brauchte sie, damit sie mit ihm
ritten und jagten, den Umgang mit Schwert und Lanze übten. Gwenda hoffte, dass
Sam während Philippas Regentschaft einen klügeren, gnädigeren Verhaltenskodex
lernte, als Ralph ihn ihrem Sohn beigebracht hätte.
    Sonst gab es nicht
viel, was sie sich ansehen konnte, und Gwendas Blick kehrte zu ihrem Mann und
der Frau zurück, die er einmal hatte heiraten wollen. Wie Gwenda befürchtet
hatte, machte sich Annet Wulfrics
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