Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Tore der Welt

Titel: Die Tore der Welt
Autoren: Ken Follett
Vom Netzwerk:
Wolle.
    Normalerweise
empfand Merthin Mädchen seines eigenen Alters eher als lästig: Sie kicherten
meist und weigerten sich, irgendetwas ernst zu nehmen. Doch dieses hier schaute
ihn und seinen Bogen mit einer offenen Neugier an, die ihm gefiel. »Ich habe
ihn einfach gemacht, wie ich es für richtig hielt«, antwortete er.
    »Das klingt klug.
Funktioniert er denn auch?« »Ich habe ihn noch nicht ausprobiert. Wie heißt
du?« »Caris, aus der Familie Wooler.
    Und wer bist du?«
»Merthin. Mein Vater ist Sir Gerald.« Merthin schlug die Kapuze zurück, griff
hinein und holte eine zusammengerollte Bogensehne hervor.
    »Warum trägst du
die Sehne unter der Kapuze?« »Damit sie nicht feucht wird, wenn es regnet. Das
tun echte Bogenschützen auch.« Er machte die Sehne an beiden Enden fest, wobei
er den Bogen leicht durchbog, sodass die Spannung die Sehne festhielt.
    »Willst du auf die
Ziele schießen?« »Ja.« Ein Junge sagte: »Sie werden dich nicht lassen.« Merthin
schaute ihn an. Der Junge war ungefähr zwölf Jahre alt, groß und dünn mit
großen Händen und Füßen. Merthin hatte ihn und seine Familie vergangene Nacht
im Hospital der Priorei gesehen; sein Name war Philemon. Philemon hatte sich
häufig in der Nähe der Mönche aufgehalten; er hatte ihnen Fragen gestellt und
bei der Verteilung des Abendessens geholfen. »Natürlich werden sie mich
schießen lassen«, erwiderte Merthin. »Warum auch nicht?« »Weil du zu jung
bist.«
    »Das ist dumm.«
Noch während er sprach, wusste Merthin, dass er sich dessen lieber nicht so
sicher sein sollte: Erwachsene waren oft dumm. Aber dass Philemon so tat, als
wüsste er mehr, ärgerte Merthin — besonders nachdem er sich vor Caris so selbstbewusst
gegeben hatte.
    Er verließ die
Kinder und ging zu einer Gruppe von Männern, die darauf warteten, auf eine
Scheibe schießen zu können. Er erkannte einen von ihnen: einen ungewöhnlich
großen, breitschultrigen Mann mit Namen Mark Webber. Mark bemerkte den Bogen
und fragte Merthin auf seine langsame, freundliche Art: »Wo hast du den her?«
    »Ich habe ihn
selbst gemacht«, antwortete Merthin stolz.
    »Schaut Euch das
an, Elfric«, sagte Mark zu seinem Nachbarn. »Das hat er gut hin bekommen.«
    Elfric war ein kräftiger
Mann mit verschlagenem Blick. Er schaute sich den Bogen nur flüchtig an. »Zu
klein«, sagte er abschätzig.
    »Damit kannst du
nie einen Pfeil abschießen, der die Rüstung eines französischen Ritters
durchschlägt.«
    »Das vielleicht
nicht«, räumte Mark ein, »aber ich nehme an, dass der Junge höchstens noch ein,
zwei Jahre hat, bevor er gegen die Franzosen wird kämpfen müssen.«
    John Constable
rief: »Wir sind bereit. Lasst uns anfangen. Mark Webber, Ihr seid der Erste.«
Der Riese trat an die Linie. Er nahm sich einen kräftigen Bogen, prüfte ihn und
bog das dicke Holz mühelos durch.
    Da bemerkte John
Constable auch Merthin. »Keine Kinder«, sagte er.
    »Warum nicht?«,
protestierte Merthin.
    »Das soll dir egal
sein. Mach einfach, dass du aus dem Weg kommst.« Merthin hörte ein paar der
anderen Kinder kichern. »Es gibt nicht den geringsten Grund dafür!«, erklärte
er entrüstet.
    »Ich muss Kindern
keine Gründe nennen«, erwiderte John. »Also gut, Mark Webber, schießt!«
    Merthin fühlte sich
gedemütigt. Der schmierige Philemon hatte vor allen bewiesen, dass Merthin
unrecht hatte. Er wandte sich von den Zielen ab.
    »Das habe ich dir
ja gesagt«, erklärte Philemon.
    »Oh, halt einfach
den Mund, und verschwinde.« »Du kannst mich nicht vertreiben«, sagte Philemon,
der einen halben Kopf größer war als Merthin.
    »Ich aber schon«,
warf Ralph ein.
    Merthin seufzte.
Ralph war schier unglaublich loyal, aber er verstand einfach nicht, dass
Merthin nicht nur als Narr, sondern auch als Schwächling dastehen würde, wenn
Ralph sich für ihn mit Philemon prügelte.
    »Ich wollte ohnehin
gehen«, sagte Philemon. »Ich werde Bruder Godwyn helfen.« Er trollte sich
davon.
    Auch die anderen
Kinder zerstreuten sich auf der Suche nach neuen Attraktionen. Caris sagte zu
Merthin: »Du könntest doch irgendwo anders hingehen, um deinen Bogen
auszuprobieren.«
    Offensichtlich war
sie begierig darauf zu sehen, was geschehen würde.
    Merthin schaute
sich um. »Aber wohin?« Wenn er ohne Aufsicht schoss, würde man ihm den Bogen
vielleicht abnehmen.
    »Wir könnten in den
Wald gehen.«
    Merthin war
überrascht. Es war Kindern
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher