Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Tore der Welt

Titel: Die Tore der Welt
Autoren: Ken Follett
Vom Netzwerk:
für gar so gefährlich.
    Gwenda war froh,
dass nun er wieder das Kommando übernahm und sie von der Verantwortung befreite.
    »Außerdem«, fuhr Pa
fort, »habe ich den wässrigen Brei der Mönche satt. Ich will Brot und Fleisch.
Jetzt können wir‘s uns leisten!«
    Sie traten aus der
Kirche hinaus in die Morgendämmerung. Der Himmel war perlgrau. Gwenda wollte
Mas Hand halten, aber das Baby fing zu schreien an, und Ma war abgelenkt. Dann
erblickte Gwenda einen kleinen, dreibeinigen Hund mit schwarzem Gesicht, der
mit vertrautem Humpeln auf den Kathedralenplatz lief. »Hop!«, rief Gwenda, hob
ihn hoch und drückte ihn an sich.
----

KAPITEL 2
    Merthin war elf,
ein Jahr älter als sein Bruder Ralph; doch zu seinem größten Verdruss war Ralph
größer und stärker.
    Das sorgte für
Probleme mit den Eltern. Der Vater der Jungen, Sir Gerald, war Soldat, und so
konnte er seine Enttäuschung nicht verbergen, wenn Merthin sich als unfähig
erwies, eine schwere Lanze hoch zu heben, Erschöpfung zeigte, noch ehe der Baum
gefällt war, oder weinend nach Hause kam, wenn er einen Kampf verloren hatte.
Und ihre Mutter, Lady Maud, machte alles noch schlimmer. Immer wieder brachte
sie Merthin mit ihrer übertriebenen Fürsorge in Verlegenheit, wo es dem Jungen
doch viel lieber gewesen wäre, sie würde so tun, als hätte sie nichts bemerkt.
Wann immer Vater seinen Stolz auf den großen, starken Ralph bekundete,
versuchte Mutter, einen Ausgleich zu schaffen, indem sie Ralphs Mangel an
Intelligenz hervorhob. Ralph war in der Tat ein wenig langsam im Denken, doch
dafür konnte er nichts, und wann immer jemand ihn deswegen verspottete, geriet
er in Wut, und es war an der Tagesordnung, dass er sich mit anderen Jungen
raufte.
    Am Morgen von
Allerheiligen waren beide Eltern gereizt. Sir Gerald hatte nicht nach
Kingsbridge kommen wollen, doch ihm war keine Wahl geblieben: Er schuldete der
Priorei Geld. Allerdings konnte er seine Schulden nicht zahlen, sodass Lady
Maud zu ihm sagte, man würde ihm seine Ländereien wegnehmen, worauf Sir Gerald
sie daran erinnerte, dass er von Thomas abstamme, der in dem Jahr zum Grafen
von Shiring erhoben worden war, als König Heinrich II den Erzbischof Becket
ermordet hatte. Graf Thomas wiederum war der Sohn von Jack Builder, dem Erbauer
der Kathedrale von Kingsbridge, und Lady Aliena von Shiring gewesen — einem beinahe
schon legendären Paar, dessen Geschichte an langen Winterabenden in einem
Atemzug mit den Heldensagen Karls des Großen und Rolands erzählt wurde.
Angesichts einer solchen Ahnenreihe könne kein Mönch seine Länder konfiszieren,
rief Sir Gerald wutentbrannt, vor allem nicht dieses alte Waschweib Prior
Anthony.
    Als ihr Gemahl zu
toben begann, legte sich ein Ausdruck müder Resignation auf Mauds Gesicht, und
sie wandte sich ab.
    Prior Anthony
mochte ja ein altes Waschweib sein, aber er war zumindest Manns genug gewesen,
sich bei Sir Geralds Lehnsherrn, dem derzeitigen Grafen von Shiring, über den
säumigen Schuldner zu beschweren. Das war der Grund für Sir Geralds schlechte
Laune, die sich auch durch das Spektakel in der Kathedrale nicht gebessert
hatte.
    Merthin hingegen
hatte das Schauspiel genossen: die Dunkelheit, die seltsamen Geräusche, die
Musik, die so leise begonnen hatte und dann so laut geworden war, dass sie die
ganze Kirche erfüllte, und schließlich das bedächtige Entzünden der Kerzen.
Auch hatte Merthin, als es wieder heller geworden war, bemerkt, dass einige
Leute die Dunkelheit ausgenutzt hatten, um kleinere Sünden zu begehen, welche
ihnen nun vergeben werden konnten: So hatte er im aufflammenden Licht zwei
Mönche gesehen, die sich geküsst und hastig voneinander abgelassen hatten, als
es so plötzlich hell geworden war, und einen durchtriebenen Kaufmann, der rasch
die Hand vom üppigen Busen einer lächelnden Frau genommen hatte, die das Weib
eines anderen zu sein schien.
    Merthin war noch
immer ganz aufgeregt, als sie ins Hospital zurückkehrten.
    Während sie nun
darauf warteten, dass die Nonnen das Frühstück austeilten, ging ein
Küchenjunge durch den Raum. Er trug ein Tablett mit einem großen Krug Bier und
einem Teller heißen Salzfleischs die Treppe hinauf. Mürrisch bemerkte Lady
Maud: »Man hätte doch meinen sollen, dass dein Verwandter, der Graf, uns einlädt,
mit ihm in seinem Privatgemach zu speisen. Schließlich war deine Großmutter die
Schwester seines Großvaters.«
    Graf Roland
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher