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Die Toechter Egalias

Die Toechter Egalias

Titel: Die Toechter Egalias
Autoren: Gerd Brantenberg
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warum wir in den unpraktischen Hemden herumlaufen sollten.“
    „Nein, natürlich nicht. Manchmal werde ich schon ganz irre im Kopf.“ Die Menstruationsspiele gingen ohne Störung weiter, wenn dam einmal von dem kleine Zwischenfall auf der Nordtribüne absah. Die Frauen der Jongliertruppe verschwanden eine nach der anderen im Pavillon und schwangen dort große Reden über große Dinge. Zum Schluß hielt die Burgfrau von der Volksburg eine Rede zum Lobe Egalias — wie in jedem Jahr. Und jedesmal wurde zuerst Egalias Bio-System gepriesen. Wie in all den Jahren zuvor eröffnete sie die Rede mit den bekannten und geliebten Worten: „Erde, Luft und Wasser sind unsere Elemente und im Grunde unsere Wohnstätte.“ Pause. Ein Blick über die festlich gekleidete Wibschenmenge. „Ohne sie würde Egalia nie existieren.“ Sie erklärte dann im einzelnen, wie im Egalsunder Bio-System der Kreislauf der Natur gewahrt werde, und selbstverständlich hänge das organisch mit dem restlichen Egalia zusammen — durch feste Abkommen mit dem Nachbarland Pax hänge es natürlich auch mit dem paxischen System zusammen —, denn dam müsse einsehen, daß Luft und Wasser ungeachtet diverser Souveränitätsbestimmungen sich unablässig über die Landesgrenzen hinwegsetzten. Dam sorge dafür, daß nie mehr Sauerstoff verbraucht oder Stickstoff freigesetzt werde, als es das Gleichgewicht erfordere. Die großen Parkanlagen seien genau darauf berechnet, das Gleichgewicht in der Kohlenstoffassimilation aufrechtzuerhalten.
    Die Burgfrau leierte einige Zahlen herunter, die beklatscht wurden, und ging dann dazu über, Fischereistatistiken zu zitieren, wo die gleichen Grundsätze galten. Nach Verlesung der Zuwachsraten für die einzelnen Fischarten stellte die Sprecherin fest, daß entsprechende Mengen in voller Übereinstimmung mit dem Zuwachs gefischt worden seien. Weiterhin stellte die Burgfrau mit Zufriedenheit fest, daß die Einhaltung der Anordnungen kaum jemals habe überwacht zu werden brauchen, da es jedem Idioten klar sei, wie absurd es wäre, mehr Fische fangen zu wollen, als geboren würden.
    Aus Sicherheits-, vielleicht aber auch aus Traditionsgründen erinnerte sie an die strengen Strafen, die für das Übertreten der Bestimmungen verhängt wurden. Dieser Hinweis erfolgte jedes Jahr, und so ging ein Teil der Zuhörer mitten in der Rede nach Hause. Im Zuge allgemeinpräventiver Maßnahmen sehe sie sich gezwungen, daran zu erinnern, daß eine, die die Fischereibestimmungen übertrete, zusammen mit Instruktionen über die Einrichtung eines Aquariums in ein Zimmer gesperrt werde, aus dem sie nicht eher herausgelassen werde, bis es ihr gelungen sei, das Gleichgewicht im Aquarium herzustellen. Würden einige Arten eingehen, müsse sie den Fehler finden. Wenn es ihr nicht gelinge, den Fehler zu finden, werde sie zu einem Lehrgang geschickt. Während der ganzen Zeit erhalte sie keinen Lohn.
    Weiterhin erinnerte die Burgfrau die Gemeinde daran, daß die Müllverwertungsanlagen in Egalsund noch immer einen der größten Etatposten für sich beanspruchten, und erläuterte ausführlich die drakonischen Strafen, die bei Luft- oder Wasserverunreinigung drohten. Die Täterin werde in einen kaum belüfteten Raum gesperrt und bekomme reichlich zu essen. Ihr stehe aber keine Örtlichkeit für ihre Verdauungsprodukte zur Verfügung. Deshalb müsse sie ihre Notdurft auf dem Fußboden verrichten. Nach ein paar Tagen wate sie in einem ekelhaften Schlamm aus Kot und Pisse herum, bis sie fast nicht mehr atmen könne. Dann werde die Delinquentin aus der Zelle herausgenommen, gründlich gebadet und durchlüftet. Schließlich rede dam ihr eindringlich ins Gewissen, daß, wenn alle versuchen würden, Abfälle und Giftstoffe so loszuwerden wie sie, es nirgends mehr frische Luft zum Atmen gäbe und ganz Egalia, ja die ganze Welt genau wie ihre Zelle aussähe.
    Wieder konnte die Burgfrau mit Befriedigung feststellen, daß auch diese Strafmaßnahme nicht angewendet zu werden brauchte, da keine der Werkseignerinnen sich gegen die einschlägigen Vorschriften vergangen hatte. „Dies beweist, daß unter unseren verantwortlichen Industrieleiterinnen und vor allem bei unseren Handelsgesellschaften ein gesunder und matriotischer Geist frauscht“, sagte sie. „Was wäre denn der Sinn dieser alljährlichen Menstruationsspiele zu Ehren der Lebenskraft und des ewigen Kreislaufs in der Natur, würden wir nicht den tiefen Zusammenhang zwischen Wibschenleben und Natur
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