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Die Toechter Egalias

Die Toechter Egalias

Titel: Die Toechter Egalias
Autoren: Gerd Brantenberg
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feiern? Wenn wir nicht immer wieder aufs neue unsere Zivilisation feiern könnten, die im Grunde nichts anderes bedeutet, als daß die Natur für uns Wibschen und unsere Nachfahren bewahrt und erhalten wird? Das ist die höchste Form der Kultur.“
    Die Burgfrau erntete nur mäßigen Beifall, da die meisten während der Rede schon nach Hause gegangen waren. Die Männer, die noch gern geblieben wären, weil sie sich schämten, mußten ebenfalls nach Hause, denn die Kinder quengelten und wurden unerträglich. Und jene, die noch dastanden, hatten die Rednerin das Ganze schon weiß Luzia zum wievielten Male herunterleiern hören. Zum Schluß spielten die schwangeren Bläserinnen die bekannte und beliebte Hymne „Gesunde Kinder in starken Bäuchen“. Alle stimmten mit ein, und der Gesang stieg auf in den klaren blauen Herbsthimmel, der sich über Egalia wölbte.

Wanderung durch die egalitäre Stadt

    Petronius stand an der Straßenkreuzung bei dem Geschäft der großen Frauenausstatterin und wartete darauf, daß das rote Frauchen der Verkehrsampel auf grün umsprang. Auf der anderen Straßenseite leuchtete hoch oben auf dem Gebäude eine riesige Reklame für Bellindus Brusthaarentferner. Das eine Bild zeigte eine Frau, die an der Bluse eines Mannes zupfte, einen Blick auf seine Brust warf und dann peinlich berührt die Nase rümpfte. Auf dem nächsten Bild waren wieder beide zu sehen, doch diesmal strahlte die Frau zufrieden beim Anblick der Verschönerung, die inzwischen unter der Bluse des Mannes stattgefunden hatte. Petronius dachte daran, daß er seine Haare für die Aktion am großen M-Tag absichtlich hatte wachsen lassen; seitdem wollte er sie nicht mehr entfernen. Die Haut wurde wund, egal welche Mittel er benutzte. Außerdem WAR er so. Dahinter war er endlich gekommen. Er HATTE eben Haare auf der Brust. Und damit basta.
    Jetzt zeigte die Ampel das grüne Frauchen. Einige Mädchen knufften ihn, als sie auf dem Bürgersteig in rasendem Tempo an ihm vorbeifuhren. Sie schrien sich etwas zu. Was sie sagten, war unmöglich zu unterscheiden. Sie schrien nur, doch für sie selber mochte es wohl verständlich klingen.
    Es war ein warmer Herbsttag. Viele Frauen gingen mit freiem Oberkörper spazieren. Ihre Brüste baumelten ihm in allen möglichen Formen entgegen. Es gab runde und feste, ovale und schlappe, kleine — fast genau so klein wie bei Männern — und große, füllige, es gab Brustwarzen, die nach außen, und Brustwarzen, die nach oben zeigten, sowie Brustwarzen, die vom Saugen leicht länglich und zylindrisch verformt waren. Mannigfaltige Brüste kamen ihm so entgegengeschwabbelt. Er erinnerte sich daran, daß es mal eine Zeit gegeben hatte, als er diese entblößten Frauenoberkörper toll fand. Er schwitzte unter der Bluse.
    Es frauschte ein reger Verkehr. Viele Familien wollten aufs Land fahren. In allen Wagen, die Petronius vorüberfahren sah, saß die Frau am Steuer, der Mann auf dem Beifahrersitz und die Kinder hinten. An einem Eckhaus, in dem eine Bank untergebracht war, blieb er stehen. Im Fenster lag eine Broschüre. Auf dem weißen Glanzpapierumschlag stand mit leuchtend blauen Buchstaben: „Eine sichere Zukunft für Sie und Ihre Familie.“ Eine Frau blätterte nachdenklich in den Bankdokumenten, während ein Mann hinter ihr stand, ihr über die Schulter sah und glücklich und zuversichtlich in die Zukunft lächelte. „Sie können Mann und Kinder und auch sich selber durch unser staatliches Darlehen absichern“, hieß es weiter in der Broschüre. Das nächste Bild zeigte dann ein sicheres Eigenheim, das dam sich mit dem sicheren Kredit leisten konnte, und auf einem anderen Bild war die ganze Familie bereits in das sichere Eigenheim gezogen. Die Frau saß, der Mann stand, und die Kinder spielten auf dem sicheren Fußboden.
    Petronius schlenderte durch die Straßen von Egalsund und schrieb in Gedanken einen Brief an Gro. Er vermißte sie. Doch als er daran dachte, wie es tatsächlich sein würde, wenn sie zusammen wären, vermißte er sie nicht mehr. Dann fragte er sich wieder, warum sie eine so große Anziehung auf ihn ausübte, und schon vermißte er sie wieder. Worin bestand eigentlich diese Anziehung? War er von dem Gedanken eingenommen, daß sie über ihn bestimmte? So konnte er sich ständig im Kreis drehen. Ja, nein, ja, nein.
    Aber im Kopf hatte er sich bereits entschieden. Er wollte ihr einen Brief schreiben und ihr mitteilen, daß er zum Gebärpalast kommen werde, wenn sie sich dort
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