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Die Toechter Egalias

Die Toechter Egalias

Titel: Die Toechter Egalias
Autoren: Gerd Brantenberg
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Kollektion künstlicher Brüste angeboten, einige aus Wachs, andere aus Schaumgummi. In allen Farben und Größen lagen sie mit üppig strotzenden Brustwarzen ausgerichtet im Regal unter einer Reihe von Kerzen in Klitorisform. Weiß Luzia, wer diese Dinger eigentlich brauchte und kaufte! Aber einen Markt mußte es zweifellos dafür geben, denn dam produzierte ständig neue und elegantere Formen, für die unablässig Reklame gemacht wurde.
    Eine Stimme dröhnte aus dem Lautsprecher: „Klein-Gerd, fünf Jahre alt, mit rotkariertem Hemd, weint. Sie fragt nach ihrem Vater. Sie kann bei der Tribüne am Südpavillon abgeholt werden.“ Überall gab es Kinder, die schrien — mit der einen Hand sich am Vater festhaltend, in der anderen einen gläsernen Miniaturkrückstock mit Liebesperlen. Die Kinder sollten am Menstruationstag ihren Spaß haben. Darin waren sich alle einig. Nach und nach hatte sich das Ganze zu einem richtigen Familienfest im Freien entwickelt.
    Eine Stimme aus dem Lautsprecher der Nordtribüne verkündete, daß jetzt die letzte Möglichkeit sei, auf die Vögel im Gimpelwettbewerb zu setzen. Herrlein Uglemose, Petronius, Baldrian und Fandango eilten zur Tribüne. Sie trafen auf das große Blasorchester, das gerade mit seinem ersten Umzug begonnen hatte. Zuerst kamen zwei dunkelrote Fahnen, die das Menstruationsblut symbolisierten, dann die Bläserinnen — ein Orchester von zwanzig schwangeren Frauen, die einen Triumphmarsch spielten — und anschließend eine Truppe aus fünfzehn Frauen, die mit verschiedenfarbigen Monatsbinden winkten, sie in die Luft warfen, wieder auffingen und mit ihnen — wenigstens fünf Binden auf einmal — geschickt jonglierten, während sie im Takt mit der Musik gingen. Am Ende des Zuges folgten die Männer mit Kindern auf dem Arm oder an der Hand. Als die schwangeren Bläserinnen ihren Marsch zu Ende gespielt hatten, sangen die Männer die Hymne „Für die Lebenskraft“, die von den schwangeren Töchtern des Mutterlandes handelte.
    Die vier aus der Männerliga bahnten sich durch das wogende Meer der Wibschen einen Weg zur Tribüne. Jeder der fünfzehn Gimpel stand auf einer hohen Kiste; neben den Kisten hatte eine Jury Platz genommen, die das Tirili der Vögel bewerten und je nach Höhe, Präzision und Ausführung des Tones Punkte vergeben sollte. Diejenigen, die auf den — nach der objektiven Beurteilung der Jury — richtigen Gimpel gesetzt hatten, erhielten als Preis bunte Vogelfedern, die, wie es hieß, „Sie mit nach Hause nehmen und Ihrem Mann verehren können“. Ganz oben auf der Tribüne stand in großen Buchstaben zu lesen: „Auch Ihr Mann schmückt sich bestimmt gern“ und „Wann haben Sie Ihrem Mann das letzte Mal eine Feder geschenkt?“
    Die Frauenstimme aus dem Lautsprecher gab das Startsignal zum Gimpelwettbewerb, und sofort begannen die Gimpel nacheinander zu flöten und zu trillern — das eine Tirili höher als das andere — , während die Frauen der Jury mit ernsthaft-nachdenklichen Mienen dasaßen und sich Notizen machten. Die vier aus der Männerliga hatten sich unter einigen Büschen verkrochen, die gleich hinter der Tribüne wucherten. Mehrere hundert Wibschen verfolgten gespannt das Flöten und Trillern der Gimpel sowie die Punktvergabe, wobei die Frauen ständig dazwischenriefen und lautstark — als sei ihr Leben in Gefahr — protestierten, wenn die Punkte ihrer Meinung nach ungerecht verteilt wurden.
    Zunächst begriffen die Leute nicht, was eigentlich vor sich ging, aber plötzlich flatterten die Gimpel von ihren Kisten, auf die jetzt vier Gestalten in enormen Federkleidern stiegen. Alles hatte sich blitzschnell abgespielt, und ehe dam sich’s versah, warfen die vier Gestalten ihre Federgewänder ab und vier Männer mit entblößtem Oberkörper kamen zum Vorschein. Aufrecht standen sie da in ihrer flachbrüstigen Unanständigkeit — und zwei hatten sogar Haare auf der Brust! Das Allerschlimmste aber war: Unter ihnen befand sich offensichtlich ein Mann in mittleren Jahren. Die Männer schleuderten ihre Federpracht in die Zuschauermenge. Einer der vier fanatischen Maskulinisten hatte sich auf geheimnisvolle Weise des Mikrophons bemächtigt und rief: „Weg mit all dem Tand und Flitter für Männer! Warum werden wir dazu gezwungen, unsere Körper zu verstecken? Frauen dürfen ihre Brüste und ihre schwangeren Bäuche und ihre nicht schwangeren Bäuche und ihre nackten Körper frei entblößen. Warum sollen wir gezwungen werden, unsere
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