Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Töchter der Lagune

Die Töchter der Lagune

Titel: Die Töchter der Lagune
Autoren: Silvia Stolzenburg
Vom Netzwerk:
weiter“, befahl er und zwang ihren Kopf zurück an die richtige Stelle, als sie begann, sich aufzurichten. Er hatte zwar bereits einen Höhepunkt erreicht, aber er wollte nicht, dass sie aufhörte – es war einfach zu gut. Er fühlte erneut, wie sich ihre warmen Lippen um ihn schlossen, und stöhnte vor Lust. Während er sich den göttlichen Fähigkeiten seiner neuen Sklavin hingab, grübelte er über den Feldzug nach, zu dem er sich schon vorher hätte durchringen sollen. Wenn alles so lief, wie er es plante, dann würde er seine Feinde schon bald zerquetschen wie lästige Insekten. Sie waren schwach, dekadent – wie all die anderen, die diesem lächerlichen Propheten huldigten. Dem Sohn Gottes! Was für eine aberwitzige Idee! Es kümmerte ihn nicht im Geringsten, an was die Menschen glaubten, ihm selbst war Allah vollkommen gleichgültig, aber ganz offensichtlich verwandelte ihre Religion die Christen in Feiglinge. Sein Vater war viel zu tolerant gewesen; er war vieles gewesen, was er selbst niemals sein würde. Er wusste genau, dass die meisten seiner Untertanen ihn insgeheim für seine unstillbare Lust nach gutem Essen, Wein und wilden Liebesspielen verachteten, aber das focht ihn nicht an. Ebenso unberührt ließ ihn die altmodische Vorstellung der Pflichten eines Sultans, über die sein Großwesir Mohammed Sokolli pausenlos ermüdende Vorträge hielt. Er hatte kein Interesse daran, die Gesetze und deren Ausübung in seinem Reich durch die Regierungsbeamten zu überwachen. Sollten sie doch so korrupt sein, wie sie wollten, und ihre Macht missbrauchen, was scherte es ihn?! Alles, was ihn im Moment interessierte, war Hülya zwischen seinen Beinen.
     
    *******
     
Venedig, Piazza San Marco, Dezember 1570
     
    Christoforo Moro war von Bord des sich leise im Wasser der Lagune auf und ab bewegenden Kriegsschiffes gegangen und hatte, nachdem er sich in seinem ungeheizten Haus umgezogen hatte, umgehend Signor Brabantios Casa aufgesucht. Von dem Diener, der ihm die hohe Eichentür geöffnet hatte, war er davon in Kenntnis gesetzt worden, dass sich die ganze Familie beim Gottesdienst befand, und so hatte er dem prächtigen Palazzo den Rücken gekehrt und war in Richtung San Marco davongeeilt. Er mochte den alten Senator. Brabantio hatte seine Bewerbung für den Senatsposten unterstützt, während ihm viele der anderen Mitglieder der altehrwürdigen Kammer wegen seiner Herkunft feindlich gesinnt gewesen waren. Es war Brabantios feurige Rede gewesen, welche die allgemeine Meinung über ihn hatte umschlagen lassen. Wie alle Söhne aus adeligem Hause hatte Christoforo im Alter von fünfundzwanzig Jahren die Zulassung zum Großen Rat beantragt, um später in den kleineren, wesentlich exklusiveren Kreis des Senates aufsteigen zu können. Der Oligarchie der Serenissima, der „Modellrepublik“, wie sie sich selbst so gerne nannte, lagen außerordentlich strenge Regeln und Gesetze zugrunde. Sein Vater, Sohn einer angesehenen Familie, hatte diese Regeln verletzt, indem er eine Fremde zur Gemahlin genommen hatte. Und die Republik vergab Fehler nur äußerst selten.
     
    Als er sich dem Hauptportal der prächtigen Kirche näherte, fiel sein Blick bewundernd auf das Gespann der Bronzepferde, das über dem Eingang prangte. Für Christoforo waren sie der Inbegriff venezianischer Arroganz. Denn sie zeugten von dem Talent der Inselbewohner, andere Länder und Machthaber zu provozieren. Im Jahre 1201 aus Konstantinopel geraubt, waren sie ein Dorn im Auge so mancher ausländischer Delegation. Er durchmaß den langen Schatten des hoch über ihm aufragenden Campanile und zügelte seine Schritte vor der Westfassade des Domes. Er würde lieber draußen warten, da der Gottesdienst inzwischen beinahe zu Ende sein musste. Selbst im dämmerigen Licht des wolkenverhangenen Dezembertages war das Bauwerk beeindruckend. Drei der fünf Kuppeln, die wie er fand, eine nicht zu verleugnende Ähnlichkeit mit einer weiblichen Brust hatten, waren von seinem Standpunkt aus sichtbar. Über den Porte waren die byzantinischen Rundbögen mit Freschi in leuchtenden Farben dekoriert. All die Bögen und Säulen und Türmchen gaben dem massigen Gebäude den Anschein von Leichtigkeit und Verspieltheit, als wäre sich der Baumeister nicht über die Schwere seiner Materialien im Klaren gewesen. Als er gerade über die Frage nachgrübelte, wie lange es wohl noch dauern würde, bis er die schöne Desdemona wiedersah, wurde sein Blick von einem Sonnenstrahl
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher