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Die Töchter der Lagune

Die Töchter der Lagune

Titel: Die Töchter der Lagune
Autoren: Silvia Stolzenburg
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Cesare vollkommen verblüfft, mit offenem Mund vor seiner neuesten Eroberung stehen, die erschrocken mehrere Schritte zurückgewichen war.
     
    „Warte!“, keuchte Desdemona. Sie setzte ihrer Schwester nach, die auf die Mole zueilte, wo Dutzende kleiner Boote und Gondole fröhlich auf den Wellen tanzten, als ob die Welt um sie herum mit nicht vernehmbarer Musik erfüllt wäre. „Angelina“, rief sie, als ihre Schwester weiter auf die Ponte della Paglia zustürmte, vorbei an den beiden Säulen, auf denen die Markuslöwen thronten und über den Eingang zur Stadt wachten.“Angelina!“, wiederholte sie, als sie die Schwester schließlich erreicht hatte, und griff nach ihrem Arm, um sie aufzuhalten. „Lass mich in Ruhe!“, fauchte die Angesprochene und riss den Arm los. Sie hatte allerdings ihr Tempo verlangsamt, und es war nun einfacher für Desdemona, mit ihr Schritt zu halten. Als sie die östliche Ecke des Dogenpalastes erreicht hatten, hielt Angelina abrupt an und wirbelte herum. Ihre Augen waren gerötet und schwammen in Tränen, während ihr Mund vor Zorn und Traurigkeit zitterte. „Du hattest recht“, presste sie durch zusammengebissene Zähne hervor. Desdemona wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte. Sie hatte befürchtet, dass so etwas früher oder später passieren würde, allerdings hatte sie nicht erwartet, dass es so offensichtlich sein würde. Angelinas Augen wanderten melancholisch über den Horizont. „Er war nur hinter meiner Mitgift her.“ Sie seufzte und schloss die Augen, zwischen deren Lidern heiße Tränen ihre Wangen hinabströmten. „Nicht.“ Desdemona legte sanft den Arm um die Schultern ihrer Schwester und drückte sie fest an sich. „Er ist es nicht wert.“ Sie streichelte Angelina, die von verzweifeltem Schluchzen geschüttelt wurde, über den Rücken. Während sie versuchte, sie zu beruhigen, ließ sie die Augen über die Fassade des Dogenpalastes wandern. Jedes Mal wenn sie sich auf dem Markusplatz aufhielt, war sie von Neuem überwältigt von seiner Schönheit und Eleganz. Sie hatte das prächtige weiße Gebäude mit den vielen Arkaden, Bogenfenstern und kunstvollen Kapitellen noch niemals betreten dürfen, aber es war ihr größter Wunsch, es eines Tages von innen zu sehen – auch wenn sie wusste, dass das für eine Frau kaum möglich war.
     
    Allmählich ließ Angelinas verzweifeltes Schluchzen nach, und sie begann, ihre Fassung wiederzugewinnen. Desdemona löste sich aus der Umarmung und trat zurück, um eine Strähne des schwarzen Haares, das sich aus der kunstvollen Frisur gelöst hatte, von Angelinas feuchter Wange zu streichen. „Hier, putz dir die Nase.“ Sie reichte ihr das bestickte Taschentuch, welches Christoforo ihr bei seinem letzten Besuch im Haus ihres Vaters geschenkt hatte. Da es ihr das Gefühl gab, in seiner Nähe zu sein, trug sie es immer nahe am Körper. „Danke.“ Angelina gab ihr das Tüchlein zurück und tat einen tiefen Atemzug. „ Bastardo “, sagte sie ruhig. „Ich werde keine einzige Träne mehr um dich vergießen!“ Mit diesen Worten hakte sie sich energisch bei ihrer Schwester unter und gemeinsam schlenderten sie zur Piazza zurück.
     
    Sie bogen gerade um die Ecke des Dogenpalastes, als ein Bediensteter in der Livree ihres Vaters auf sie zugeeilt kam. „ Signorine, der Herr hat mir aufgetragen, Euch nach Hause zu begleiten“, schnaufte der alte Mann. „Der General und er sind zu einer Senatsversammlung gerufen worden.“ Desdemona war verwundert. „Heute?“, fragte sie ungläubig. Es war Samstag. Der Senat trat zweimal in der Woche zusammen und niemals an Samstagen, soweit sie unterrichtet war. Die Händler und Handwerker arbeiteten alle, wohingegen die Adeligen für gewöhnlich am Wochenende keinerlei Geschäften nachgingen. Es musste etwas Ernstes sein, und sie war besorgt. Was, wenn Christoforo Venedig wieder verlassen musste? Würde sie ihn wiedersehen? Sie grub die Zähne in die Unterlippe und nagte heftig daran, ehe sie dem Diener mit einem hilflosen Achselzucken folgte. Jedenfalls gab es nichts, was sie oder Angelina unternehmen konnten; sie waren dazu verdammt, den Ereignissen um sie herum tatenlos zuzusehen, ohne dazu in der Lage zu sein, irgendwie verändernd einzugreifen.
     
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 Venedig, Sala del Senato, Dezember 1570
     
    „Warum?“ Christoforo Moro war von seinem Sitz aufgesprungen und beherrschte nur mit Mühe seine Ungeduld. Wie die anderen Senatoren hatte auch er an der Längsseite des Sala
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