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Die Töchter der Lagune

Die Töchter der Lagune

Titel: Die Töchter der Lagune
Autoren: Silvia Stolzenburg
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del Senato Platz genommen, aber der Ärger trieb ihn auf die Beine. Der Doge saß wie immer auf der erhöhten Tribüne am Kopfende des Saales. Er war in Scharlachrot gekleidet und eine eng anliegende, zum Hinterkopf hin geschwungene Kappe umschloss seinen Kopf. Rechts und links neben ihm hatten sich die beiden Inquisitori, deren gebeugte Körper von schwarzen Roben bedeckt waren, niedergelassen. Im Moment war sein von Falten durchzogenes Gesicht ernst, und die kleinen, schwarzen Augen verrieten Wachsamkeit und einen scharfen Verstand. Er hob die Hand, um die murmelnde Menge zum Schweigen zu bringen. Beinahe alle der einhundert Mitglieder des Senates waren zugegen – das Thema schien zu schwerwiegend zu sein, um das Treffen versäumen zu können.
     
    „Wir müssen abwarten, was geschieht“, verkündete der alte Mann mit ruhiger Stimme. „Wir haben immer noch keine Nachricht von unseren Spionen.“ Christoforo hätte sich am liebsten die Haare gerauft. „Mit allem nötigen Respekt, Doge “, unterbrach er das Staatsoberhaupt. „Die türkische Flotte hat sich aus Zypern zurückgezogen, um den Winter in der Türkei zu verbringen.“ Er wusste, dass diese Information der Wahrheit entsprach. „Es liegen genug auslaufbereite Galeeren in unseren Hafenbecken und wir haben genügend Soldaten, die mit Freuden gegen die Osmanen ziehen würden.“ Ein junger Mann, der von Jago geschickt worden war, hatte ihn über den Zustand der Flotte informiert. „Wenn wir nicht sofort handeln, könnte es zu spät sein!“ Seine Stimme war eindringlich, und er bemühte sich, die Wichtigkeit seiner Worte mit einer theatralischen Handbewegung zu unterstreichen. Einen Augenblick lang dachte er, er habe sie überzeugt. Der Doge unterhielt sich flüsternd mit seinen beiden Beratern, wobei sich ihre Köpfe bejahend auf und nieder bewegten. Er ließ die Augen von dem Triumvirat auf der Tribüne zu den angespannten Mienen der anderen Senatoren schweifen. Die Versammlung war geteilt. Ungefähr die Hälfte stimmte Christoforos Vorschlag, eine Flotte auszurüsten und den Belagerten unverzüglich zur Hilfe zu eilen, zu. Der andere Teil war der Annahme, es sei weiser, noch einmal mit den Mitgliedern der päpstlichen Liga zu verhandeln und auf deren Unterstützung zu bauen. Christoforo hatte versucht, sie von der Fruchtlosigkeit dieses Unterfangens zu überzeugen, da der letzte Feldzug deutlich gemacht hatte, dass sich die Venezianer nicht auf diesen wankelmütigen Verbündeten verlassen konnten. Hätten sie nicht dem Kommandanten der spanischen Flotte nachgeben müssen, der sich geweigert hatte, Famagusta zur Hilfe zu kommen, hätte die Belagerung verhindert werden können. Da dieser jedoch wegen des nahenden Winters darauf bestanden hatte, um der Sicherheit seiner Schiffe willen in den Hafen zurückzukehren, hatten sie nach Kreta zurücksegeln müssen, ohne etwas zur Erleichterung der Lage Zyperns erreicht zu haben. Es war frustrierend! Und nun musste er auf eine Entscheidung warten, die von Männern gefällt wurde, von denen viele zu alt waren, um wie Soldaten zu denken. Fette, feiste Eber – das war es, was aus den meisten von ihnen geworden war.
     
    Schließlich beendeten die drei Männer am Kopfende des Saales ihre Debatte, und der Doge erhob sich. Mit einer mechanischen Geste strich er seine Robe glatt. „Wir werden auf Neuigkeiten von unseren Alliierten warten. Das ist mein letztes Wort.“ Christoforo hätte vor Frustration am liebsten laut gebrüllt. Ein Rascheln erfüllte den Raum, als die so entlassenen Senatoren ihre Sitze verließen und auf den Ausgang zusteuerten. Als ihn jemand leicht am Arm berührte, wandte er sich um, verzichtete jedoch auf eine bissige Bemerkung, als er sah, um wen es sich handelte. „Kommt nachher zu mir“, raunte Signor Brabantio ihm zu. Er sah mit sorgenvollem Blick zu ihm auf. „Dann können wir diese Angelegenheit in Ruhe besprechen.“ Christoforo nickte. Warum nicht? Sein Ärger verflog beinahe so schnell, wie er gekommen war. Vielleicht würde er ja der zauberhaften Tochter des Senators begegnen. Das würde ihn für all die Enttäuschungen der heutigen Versammlung entschädigen.
     

Kapitel 4
     
Konstantinopel, Topkapi Palast, Dezember 1570
     
    Wie lächerlich pompös der Mann war! Mohammed Sokolli, Selims Großwesir, kniete vor seinem Thron, die Stirn auf die blau-weißen Fliesen gepresst. Was, wenn er ihm nicht erlaubte aufzustehen?, dachte Selim einen Moment lang boshaft. Dann müsste er für
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