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Die Töchter der Lagune

Die Töchter der Lagune

Titel: Die Töchter der Lagune
Autoren: Silvia Stolzenburg
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er über dreißig sein musste, zeigte sein dichtes schwarzes Haar noch keine Anzeichen von Grau.
     
    „Hah!“ Angelina warf die Hände in die Luft. „Es ist mir egal, wie Cesare aussieht!“, rief sie aus. „Ich weiß, dass es Liebe ist! Er ist derjenige, auf den ich gewartet habe.“ Ihre Augen füllten sich mit Tränen, und sie wandte sich hastig ab, um sie zu verbergen. Langsam ging sie zum Fenster zurück und schwieg einen Augenblick, wobei sie die Arme um ihren schmalen Körper schlang. Mit ihren vierzehn Jahren war sie fraulich, wenn auch außergewöhnlich schlank. Sie hatte einen vollen Busen und wohlgeformte Hüften. Als sie die Fassung wieder erlangt hatte, fuhr sie – immer noch aus dem Fenster starrend – fort: „Ich liebe ihn, und ich weiß, dass er mich auch liebt. Ohne ihn wäre mein Leben öde und leer.“ Mit entschlossener Miene fuhr sie herum. „Ich werde nicht zulassen, dass du ihn verleumdest oder schlechtmachst! Mein Herz schlägt schneller, wenn ich nur an ihn denke, und mein Blut kocht über, wenn er in meiner Nähe ist.“ Mit einer Bewegung, die sie, so hoffte Desdemona, niemals in der Öffentlichkeit wiederholen würde, strich sie mit der rechten Hand über ihren linken Arm. Desdemona beschloss, noch einen letzten Versuch zu unternehmen, bevor sie aufgab. „Glaubst du nicht, dass es möglich wäre, dass du nur in das Gefühl des Verliebtseins vernarrt bist?“ Ihr war klar, dass diese Frage einer Beleidigung gleichkam, da sie die Gefühle ihrer Schwester infrage stellte, aber es war ihr gleichgültig. Wenn es half, eine Katastrophe abzuwenden, würde Angelina ihr vergeben.
     
    Als sei sie in der Bewegung eingefroren, starrte Angelina sie ungläubig an. Dann raffte sie ihre Kleider vom Boden auf und stürmte, ohne die Frage beantwortet zu haben, aus dem Zimmer, die Wangen von heißen Tränen überströmt. Desdemona seufzte. Sie hoffte nur, dass niemand Angelina dabei sah, wie sie nur mit einer Camicia bekleidet durch die Gänge lief, da ansonsten ihre Mutter sicherlich wieder das Thema anständigen Benehmens aufwärmen würde. Was konnte sie nur unternehmen, um Angelina davon zu überzeugen, dass Cesare keines der Gefühle wert war, die sie für ihn hegte? Resigniert warf sie die Decke ab und schlüpfte aus ihrem Nachtgewand. Auf dem Weg zu dem kostbar verzierten Waschgestell las sie ihr in der vergangenen Nacht achtlos abgeworfenes Korsett und ihre Unterröcke auf. Es war höchste Zeit, sich für den Gottesdienst zurechtzumachen.
     

Kapitel 2
     
Venedig, eine Casa am Rialto, Dezember 1570
     
    Elissa di Morelli war aufgewühlt. Kopflos rannte sie vom Kleiderschrank zur Truhe und wieder zurück, wobei sie Kleider und Habseligkeiten in den bereits überfüllten Holzkoffer warf, nur um sie kurz darauf wieder herauszuziehen. Sie hatte ihre Zofe geschickt, ihre Juwelen zu holen, da sie in der großen Stadt wie eine Dame aussehen wollte. Was trugen die Frauen in Rom nur? Sie hatte gehört, dass die Signore in der beängstigend riesigen Stadt unglaublich elegant sein sollten. Ihr Vater musste sich um sein Geschäft kümmern, musste Verträge unterzeichnen, Klienten besuchen, und er hatte Gattin und Tochter gefragt, ob sie ihn auf der Reise um die Halbinsel begleiten wollten. Sie würden mit dem Schiff reisen, da dies um vieles schneller und sicherer war als der Landweg. In Rom würden sie der weltberühmten Sixtinischen Kapelle einen Besuch abstatten, und sie würde endlich die unvergleichlichen Freschi des großen Meisters Michelangelo zu Gesicht bekommen! Einer der Geschäftsfreunde ihres Vaters hatte eine Skizze des namhaften Künstlers erworben und sie ihr voller Stolz gezeigt. Der Entwurf war so unbeschreiblich schön gewesen, dass Elissa vor Bewunderung die Luft angehalten hatte.
     
    Sie hielt zwei Kleider hoch, eines in jeder Hand, unfähig zu entscheiden, welches sie einpacken sollte. In der Truhe war nicht mehr viel Platz, und ihr Vater hatte ihr unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass die Menge an Gepäck, die sie würde mitnehmen können, beschränkt war. Er hatte halb scherzhaft bemerkt, dass er auf keinen Fall eine zusätzliche Gondel nur für die Koffer seiner Frau und Tochter mieten wollte. Seine Augen hatten gelacht, als er das gesagt hatte, doch sein Mund war zu einer strengen Linie zusammengekniffen. Und sie wusste sehr genau, dass es ihm ernst war, wenn er sie so ansah. Sie trat näher an den großen, goldgerahmten Spiegel, der das wichtigste Möbelstück im
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