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Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)

Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)

Titel: Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)
Autoren: Lesley Downer
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sha bedeuten »Künste« und »Person«. Am Abend trat sie zusammen mit anderen Geishas bei Festen auf. Sie bedienten die Gäste mit Speisen, füllten Sakebecher nach, führten klassische Tänze und Gesänge auf, neckten die Männer, erzählten Witze und Geschichten und veranstalteten Spiele. Einige ihrer Kunden waren Kaufleute, alt und mit Hängebacken, andere waren junge und gut aussehende Samurai. Doch wer sie auch waren, wenn sie Sorgen hatten, waren die Geishas bereit, ihnen ein mitfühlendes Ohr zu leihen. Sie waren die besten Freundinnen der Männer, von denen manche ebenfalls ihre Liebhaber waren.
    Schon als kleines Mädchen hatte Taka bei Geisha-Festen ausgeholfen, hatte sich die Art der Geishas zu eigen gemacht, war mit Tabletts voller Getränke herumgegangen, hatte dem geistreichen Geplauder gelauscht und gelernt, in ihrem speziellen Dialekt mit dem koketten Kyoto-Lispeln zu sprechen. Ihre Mutter und Haru hatten ihr beigebracht, die Geisha-Lieder zu trällern, hübsch zu tanzen und das Shamisen zu spielen. Ihr älterer Bruder Ryutaro war zu ihrem Vater geschickt worden, um das Kämpfen zu lernen. Er war in einer Schlacht gefallen, die so lange zurücklag, dass Taka sich kaum an Ryutaro erinnern konnte. Aber Eijiro, sein jüngerer Bruder, blieb bei der Familie, trieb sich ständig im Haus herum und piesackte Taka.
    Seit sie sich erinnern konnte, waren überall Samurai gewesen, die sich durch die Gassen schoben und auf Streit aus waren. Regelmäßig hatte es Zusammenstöße gegeben zwischen Männern aus den südlichen Clans, die entschlossen waren, den Shogun und seine Regierung zu stürzen, und denen aus dem Norden, die als Polizeitruppe des Shogun dienten und ihn unterstützten. Als Taka noch ganz klein war, hatten Samurai des südlichen Choshu-Clans Feuer an den imperialen Palast gelegt, in dem der Kaiser lebte. Sie wusste noch, wie sie auf der Straße gestanden und aufgeregt zugeschaut hatte, während Rauch aufquoll und die Menschen in Panik herumrannten, voller Angst, das Feuer könnte sich auf die ganz aus Holz gebaute Stadt ausbreiten.
    Mehr als einmal hatte die Polizei des Shogun an die Tür gehämmert und verlangt, ihren Vater zu sehen. Taka war rasch in den rückwärtigen Teil des Hauses geschickt worden und hatte mit klopfendem Herzen durch die Ritzen in den Shoji, den papierbespannten Schiebetüren, zugeschaut, wie ihre Mutter ihnen den Weg versperrte und schwor, er sei nicht da, obwohl Taka genau wusste, dass er da war.
    Sie hatte immer gewusst, dass ihre Mutter und deren Geisha-Freundinnen die Männer der südlichen Clans liebten und die Polizei des Shogun sowie alle aus dem Norden als verhasste Feinde ansahen. Jede Nacht versammelten sich Samurai aus dem Süden im Teehaus, um zu diskutieren, Komplotte zu schmieden oder auch nur zu plaudern und zu lachen. Ihre Mutter spielte die liebenswürdige Gastgeberin, während die Männer tranken und sich stritten, und hielt die Augen offen, falls plötzlich die Polizei des Shogun auftauchen sollte. Und von all den galanten, geistreichen Samurai war der galanteste und geistreichste ihr Vater. Die Leute sprachen ihn als »General Kitaoka« an. Groß, schroff und eher ernst, führte er den Vorsitz bei den Versammlungen. Er saß schweigend da, und wenn er das Wort ergriff, verstummten die anderen und hörten zu. Taka war stolz darauf, die Tochter eines solchen Mannes zu sein.
    Er war oft fort. Manchmal fand sie ihre Mutter in Tränen aufgelöst vor und schloss daraus, dass er im Krieg war und sie um ihn bangte.
    Als Taka acht war, fand direkt vor der Stadt eine gewaltige Schlacht statt. Sie hörte das Donnern der Geschütze und roch den Rauch, den der Wind herübertrieb.
    Dann brach Jubel aus. Der Süden hatte gesiegt. Wenige Monate später wurde der Shogun gestürzt. Seine Hauptstadt Edo wurde eingenommen, und die Burg Edo, in der er lebte, der Armee des Südens übergeben, die im Namen des jungen Kaisers eine neue Regierung bilden sollte. Ihr Vater war einer der Anführer. Ein paar Monate später kam die Nachricht, der Kaiser werde Kyoto verlassen und nach Edo ziehen.
    Taka und ihre Familie mussten ebenfalls mitziehen, um sich ihrem Vater anzuschließen, und plötzlich wurde ihr Leben auf den Kopf gestellt. Noch nie hatte sie den Geisha-Bezirk verlassen, ganz zu schweigen von der Stadt, und war nie in einem Palankin gereist. Jetzt wurde sie zwanzig Tage kniend in einem gepolsterten Kasten auf der Tokaido, der Ostmeerstraße, durchgerüttelt. Wenn sie aus
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