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Die Tochter des Königs

Titel: Die Tochter des Königs
Autoren: Barbara Erskine
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verzog das Gesicht, sein Kommentar zum Lärm. »Dafür werden die Nachbarn uns Ärger machen.« Er deutete mit seiner halbleeren Bierflasche auf die Türen zur Turnhalle.
    Sie und dieser große, gut aussehende blonde Mann waren einen Großteil der drei Jahre, die sie hier an der North Woodley Sixth Form Grade im Süden von London englische Literatur unterrichtete, ein Paar gewesen. Einen Großteil, aber jetzt nicht mehr. William war stellvertretender Fachbereichsleiter in Geschichte, unterrichtete aber auch Basketball, Squash und Leichtathletik. In dem offenen blauen Hemd und den Jeans mit dem auffällig gravierten und beschlagenen
Ledergürtel wurde er von mehr als einem jungen Mädchen mit begehrlichen Blicken bedacht.
    Jess und William waren in vieler Hinsicht ein Traumpaar gewesen, aber irgendetwas hatte zwischen ihnen einfach nie gestimmt. Vielleicht war es Williams Ehrgeiz gewesen, seine Überzeugung - vermutlich geboren aus der hingebungsvollen Liebe seiner Mutter und seiner zwei jüngeren Schwestern -, dass er unwiderstehlich sei, seine Tendenz, es für selbstverständlich zu erachten, dass seine Arbeit, seine Laufbahn, seine Meinungen wichtiger waren als ihre, seine vermutlich unbeabsichtigt herablassende Einstellung zu Literatur als Beruf und zu ihrer unzweifelhaften Begabung als Aquarellistin. Das hatte sie alles immer schon gestört, und als er sie dann gefragt hatte, ob sie nicht mit ihm zusammenziehen wollte, war ihr klargeworden, dass ihr, trotz ihrer großen Liebe zu ihm, nicht nur diese vielen Kleinigkeiten auf die Nerven gingen, sondern dass sie nicht auch noch ihre Unabhängigkeit verlieren wollte. Das war der Anfang vom unschönen Ende ihrer Beziehung gewesen.
    Es gab keine andere Frau, zumindest hatte sie nie von einer gehört. Nur seine Weigerung, Kompromisse zu schließen und ihre Selbstständigkeit anzuerkennen, hatte zur Trennung geführt, und das im Verlauf von gerade zwei oder drei Wochen, an deren Ende Jess wütend und verständnislos und William unglücklich und verbittert zurückgeblieben waren. Nach ihrer schmerzhaften Trennung waren sie sich aus dem Weg gegangen, so gut das im College eben möglich war - schwierig, aber durchaus machbar, wenn man sich bemühte. Und das hatten sie. Bis jetzt.
    »Wie wär’s, Jess? Ein Tänzchen um der alten Zeiten willen?« Er lächelte gewinnend.
    Sie verzog das Gesicht. »Eher nicht, William.«

    »Ach, komm schon. Um zu zeigen, dass wir uns nichts nachtragen? Dann brauchst du mich auch nie mehr zu sehen!«
    »Wieso? Gehst du weg?« Jess hob fragend die Augenbrauen.
    Er lachte. »Das hättest du wohl gern! Nein. Aber ich verspreche dir, dass ich dich nächstes Trimester meide wie die Pest.«
    Sie widerstand dem Drang, ebenfalls zu lächeln. Das Lächeln, das er ihr jetzt wieder zuwarf, war immer schon ihr Verderben gewesen. Es war zu charmant, zu verführerisch, viel zu gewinnend. Sie musste sich dagegen wehren. »Meiden wir uns doch jetzt schon, William, ja? Und jetzt entschuldige mich, ich muss Ash begrüßen.« Sie ließ sich ihre Sehnsucht nicht anmerken, zuckte nur entschuldigend mit den Schultern und ging davon. Dann nahm sie einen letzten Atemzug frischer Luft und drängte sich in das Gewühl der Tanzenden. William sah ihr mit starrem Blick nach.
    Sobald Ashley sie bemerkte, trat er vom Mischpult zurück, bedeutete seinem jüngeren Bruder Max, der auf der Bühne neben ihm stand, das Auflegen zu übernehmen, und sprang von der Bühne herunter. »Komm, tanzen wir, Jess!« Schweiß rann ihm über sein attraktives Gesicht, sein leuchtendes Hemd war klatschnass, als er lachend ihre Hände ergriff, ihre Fäuste in die Luft hob und den Griff dann löste, um mit ausladenden Hüftschwüngen vor ihr herumzuwirbeln. Sie sollte nicht lachen. Sie sollte ihn ermahnen, weil er sie mit Vornamen ansprach, aber wozu? Im Grunde war die Schule vorüber, die Prüfungen waren geschrieben, es war eine laue Nacht, und die jungen Menschen amüsierten sich. Warum sollte sie sich nicht auch einmal gehen lassen? Sie tanzte mit Ashley, sie tanzte mit mehreren anderen Schülern und mit Brian Barker, dem Rektor des Colleges,
und schließlich und endlich war sie locker genug, um auch mit William zu tanzen - es wäre ihr viel zu mühsam gewesen, ihm einen Korb zu geben. Sie trank den Obstpunsch, den Daniel ihr brachte, und dann ein zweites Glas, diesmal mit Alkohol versetzt. Sie tanzte mit Daniel und dann ein letztes Mal mit Ashley. Erst spät nachts, nach dem zweiten Besuch
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